Kundenmagazin BerlinDruck #35

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www.berlindruck.de

VISUAL THINKING Visual Thinking Die Kunst intelligenter Wahrnehmung Phantasmagoria Die magischen Bilderwelten von »1927« HPI Academy Potsdam Design Thinking macht Schule

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In einem Leben...

80 Jahre Deutschland Grafik: Sebastian WeiĂ&#x;, Oliver Schwartz Ein Auszug aus Deutschland verstehen Š Die Gestalten Verlag 2013 www.shop.gestalten.com


BERLIN Editorial

BERLIN und zurück!

Liebe Leserin, lieber Leser, da sind wir wieder. Mit der Ausgabe 35 meldet sich unser Magazin nach einer kleinen Pause zurück – mit altem Namen, frischem Gesicht und vielen Neuerungen! Für die inhaltliche Ausrichtung und das neue Design zeichnet von nun an die Berliner Markenagentur kleiner & bold verantwortlich. Gemeinsam widmen wir künftig jede Ausgabe einem Leitthema, das aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird. Es erwarten Sie spannende Expertenbeiträge, Interviews und Wissenswertes rund um Marketing, Kommunikation und Innovation. Zudem spannt BERLIN einen breiten Fächer auf: Wir zeigen ungewöhnliche Visualisierungsformen von Profis und Newcomern aus diversen kreativen Kategorien und geben Einblicke, welche Rolle das jeweilige Leitthema auch in anderen Branchen und Bereichen spielen kann. Als Kick-off dieser neuen, spannenden Reihe haben wir uns für das Thema „Visual Thinking – die Kunst intelligenter Wahrnehmung“ entschieden. Wir glauben, Ihnen durch hochkarätige Autoren, etwa Prof. Dr. Martin J. Eppler von der Universität St. Gallen, und ebensolche Interviewpartner, wie zum Beispiel Dr. Timm Krohn vom Hasso-Plattner-Institut und Ingo Schwarzer von DB Systel, interessante Einblicke bieten zu können. Und das alles soll Ihnen natürlich vor Augen führen, wie wunderbar uns auf Papier gedruckte Worte und Bilder auf eine fantasievolle Reise schicken können, die kein Bildschirm, kein iPad auch nur annähernd vermitteln kann. Wir wünschen Ihnen eine lustvolle Wahrnehmung und freuen uns über Ihre Kommentare und Anregungen.

Sehr herzlich Ihr

Reinhard Berlin

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BERLIN Inhalt

Visual stories

BreaKINg NeWs Peter ØrNtoFt Information graphics In Context this project illustrates a ranked list of social concerns in Denmark. using data from a poll conducted by a major Danish consultancy company, the diagrams were shaped and designed according to the context of specific polls within each concern. Providing context allows the reader to understand multiple layers of information about the data. the usual use of photography for the infographic creates a direct link from abstract data to everyday life. year: 2010—university project—Client: the Danish Design school, Copenhagen, Denmark

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BERLIN METHODEN BILDLICH GESPROCHEN

BERLIN EINBLICKE EINFACH WEGWEISEND

Die Kunst intelligenter Wahrnehmung

Diagramme & Co. aus neuen Blickwinkeln

Wie aus Daten Bildgeschichte wird

Piktogramme machen das Leben einfacher

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Und los geht's!

Eine Veränderung von Arbeitskultur

Design Thinking macht Schule

Die Transformation von Wort in Bild

Einfach wegweisend

Bildlich gesprochen

Anders gesehen

Visual Thinking

Standort

Editorial Seite

»Ich kann nicht zeichnen – Oder doch?«

BERLIN PERSPEKTIVEN ANDERS GESEHEN

Bezeichnendes Wissen

BERLIN COVERSTORY VISUAL THINKING

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BERLIN Inhalt

September 2013

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Digitale Daten vorab beschleunigen den Druckprozess

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BERLIN Ausdruck

Ein glatter Schnitt

Berühren und berührt werden 44

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U4 Impressum

Die magischen Bilderwelten von »1927«

BerlinDruck in Bildern und Zahlen

BERLIN HANDWERK EIN GLATTER SCHNITT

In Sachen Ausdruck

Phantasmagoria

Des Pudels Kern 30

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BERLIN HIGHLIGHT PHANTASMAGORIA

Ein Psycho auf hö(he)rer Ebene

BERLIN METHODEN »ICH KANN NICHT ZEICHNEN – ODER DOCH?« Wie Design Thinking helfen kann, visuelles Denken und Arbeiten im Arbeitsalltag zu etablieren

Brücken bauen, Umsatz steigern!

Buchkunst von Su Blackwell

Die Auferstehung des Textes

Berlin bekennt Farbe

»Alle lieben Spinner-Workshops«

BERLIN BILDUNG DESIGN THINKING MACHT SCHULE Der rasante Aufstieg einer Innovationsmethode

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BERLIN Umschau

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BERLIN Coverstory

Visual Thinking DIE KUNST INTELLIGENTER WAHRNEHMUNG

Mit Bildern Probleme zu lösen, zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten ist eine Idee, deren Zeit (wieder) gekommen ist. Warum funktionieren Bilder, wie kann man sie selbst in der täglichen Arbeit nutzen? Anbei ein paar Reflexionen aus der Managementforschung zu diesen Fragen. PROF. DR. MARTIN J. EPPLER Martin J. Eppler ist ordentlicher Professor für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen und dort geschäftsführender Direktor des MCM Instituts für Medien- und Kommunikationsmanagement. Zudem leitet er das International Study Program. Er war Gastprofessor in Helsinki, Lima, Cambridge und Peking und berät Organisationen wie die AXA oder die UNO zu den Themen Wissensmanagement, Innovation und Visualisierung. Sein neuestes Buch »Creability« erscheint Ende 2013 im Schäffer-Poeschel Verlag. www.managementatlas.com

Wie können wir verstehen, was wir denken, bevor wir nicht sehen, was wir zeichnen? Mit dieser verklausulierten Frage hat Karl Edward Weick, der wohl berühmteste lebende Managementforscher, einmal die Macht des Visualisierens auf den Punkt gebracht. Analog zu Heinrich von Kleist kann man von der allmählichen Verfertigung der Idee beim Zeichnen sprechen. Das Visualisieren (der Prozess) ist dabei oft wichtiger als die entstandene Visualisierung (das Resultat). Doch lohnt es sich wirklich, sich vermehrt mit Visualisierung im Geschäftsalltag auseinanderzusetzen? Wo liegen die Nutzenpotenziale des Visual Thinking (das eher ein Visual Doing ist)? Eines vorweg: Um Visualisierung nutzen zu können, müssen Sie kein begnadeter Zeichner sein. Denn wichtiger als die Schönheit Ihrer Zeichnungen ist deren Einfachheit und Klarheit. WARUM BILDER NÜTZEN Zuerst zum Nutzen von Visualisierung: Die Forschungsergebnisse aus Gebieten wie der Kognitionspsychologie, der Kommunikationswissenschaften, dem Design oder der Didaktik zeigen klar, dass wir komplexe Sachverhalte schneller und besser verstehen und einfacher im Gedächtnis behalten können, wenn diese in Bildern mit integriertem Text

dargestellt werden. Denken Sie beispielsweise daran, wie es wäre, jemandem den Aufbau Ihrer Organisation ohne Organigramm zu erklären. Dieser sogenannte Superioritätseffekt von Visualisierung konnte in vielen Experimenten und Evaluationen nachgewiesen werden. Die Haupterkenntnis aus dieser Forschung lässt sich wie folgt beschreiben: Wenn wir Gedanken, Informationen, Ideen oder Konzepte, Methoden und Pläne anschaulich in klaren oder vertrauten Bildern darstellen, so werden diese meist schneller verstanden, besser im Gedächtnis behalten und eher ins Gespräch eingebracht als ohne Visualisierung; dies insbesondere dann, wenn Text und Bild in einer Grafik integriert sind. Es lohnt sich also, mit Bildern zu arbeiten. Hier zwei einfache Wege, wie man dies tun kann: Handskizzen und visuelle Metaphern. MIT SKIZZEN PROBLEME LÖSEN UND MENSCHEN BEWEGEN Skizzen sind ein mächtiges Denkwerkzeug, das es uns ermöglicht, noch unfertige Ideen festzuhalten und schrittweise zu verfeinern. Dieses Werkzeug wurde denn auch in der Geschichte der Menschheit von vielen großartigen Denkern und Machern rege verwendet. Leonardo da Vinci zum Beispiel nutzte Skizzen als Experimentierplattform für sein Denken und Forschen. In seinen Tagebüchern schreibt er, dass ihn Skizzen Neues entdecken lassen und ihn dabei unterstützen, Muster zu erkennen und deutlich zu machen. Auch Charles Darwin benutzte konzeptionelle Skizzen, um seine Evolutionstheorie zu entwickeln, genauso wie Sigmund Freud, Ludwig Wittgenstein oder Peter Drucker (ein weiterer bekannter Managementforscher).

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BERLIN Coverstory

links: Skizzenagenda aus Sketching at work R. Pfister, M.J. Eppler unten: Jongleur aus Management-Atlas M.J. Eppler, J. Mengis

Skizzen sind Verständigungswerkzeuge für Gruppen, die gemeinsam Probleme lösen möchten. Die Psychologieprofessorin an der Universität Stanford, Barbara Tversky, hat die spezifischen Vorteile von Handzeichnungen für die Zusammenarbeit untersucht und festgestellt, dass sie Gruppen schneller zusammenarbeiten lassen und durch ihre Vorläufigkeit und Revidierbarkeit die Kreativität fördern. Sie ermöglichen es Gruppen, vage Ideen auszudrücken und so innovativ zu sein. Ihre Kollegen Heiser und Silverman weisen zudem auf die folgenden Vorteile von Skizzen für die Gruppenarbeit hin: -

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Sie ermöglichen einen gemeinsamen Fokus im Gespräch mit anderen. Sie fördern Interaktivität und direkten Austausch zwischen Gruppenmitgliedern. Sie schaffen Kooperationsmöglichkeiten und reduzieren das Unproduktive, die persönlichen Konflikte. Sie ermöglichen es uns, ein gemeinsames Verständnis schrittweise zu entwickeln. Sie fördern das aktive Zuhören und ermöglichen es uns, Diskutiertes besser in Erinnerung zu behalten.

Nehmen wir hierfür in einfaches Beispiel (aus unserem Buch »Sketching at work«): die visualisierte Sitzungsagenda. Mit einem schlichten Pfeil auf einem Flipchart können Sie das Ziel einer Sitzung, die Schritte dahin und die Zwischenresultate für alle gut sichtbar festhalten und so zügiger voranschreiten. Alle Teilnehmer behalten so das Wesentliche im Blickfeld und argumentieren zielorientiert. Neben der sehr einfachen und schlichten Visualisierungsform der Skizzen gibt es eine weitere Form, die vor allem für einprägsame Kommunikation oder zur Erklärung komplizierter Sachverhalte äußerst hilfreich ist – die visuelle Metapher. MIT VISUELLEN METAPHERN DAS KOMPLEXE KLAR MACHEN Eine visuelle Metapher ist ein einfaches Bild, das eigentlich etwas ganz anderes erklärt als im Beispiel Sitzungsagenda »Sketching at work« dargestellt. Durch die Übertragung von etwas Einfachem auf etwas Schwieriges können wir dieses besser verstehen (und behalten). Nehmen wir die Metapher des Managers als Jongleur als Beispiel (aus unserem Buch »Management-Atlas«). Jeder Ball in der Luft symbolisiert dabei eine Rolle oder Auf-

gabe eines Managers: vom Kommunikator bis zum Problemlöser. Dabei kann es leicht passieren, dass eine Rolle nicht optimal ausgeführt wird, sprich: zu Boden fällt, wie in diesem Beispiel diejenige des Krisenmanagers oder der ausgeglichenen Privatperson.

Bei einem derartigen Bild kann man durch die gewählte Metapher nicht nur den Kerngedanken transportieren (ein Manager muss gleichzeitig viele Dinge tun), sondern zugleich auch die wichtigsten Informationen dazu grafisch strukturieren. Diese doppelte Funktion einer bildlichen Metapher (Ideenvermittlung durch Assoziation und grafische Strukturierung von Information) macht sie


BERLIN Coverstory

zu einem wirkungsvollen Instrument der Kommunikation. Auf Basis der bestehenden Forschung zu Metaphern lassen sich deren Vorteile zusammenfassen. Für die Kommunikation und Zusammenarbeit im Management können grafische Metaphern eine zentrale Rolle spielen, da sie 1. das Gegenüber aktivieren bzw. motivieren, sich mit den impliziten Konnotationen der Metapher auseinanderzusetzen (d.h. selbst nachzudenken, warum das Bild aus einer anderen Domäne auf das diskutierte Thema übertragbar ist), 2. den Blick öffnen für neue Perspektiven und Interpretationsmöglichkeiten (für den Unternehmenskontext), 3. zu einer besseren Merkbarkeit der vermittelten Erkenntnisse führen (wir denken und erinnern uns ja oft mit Hilfe von Bildern), 4. den Lernprozess unterstützen bzw. die Erweiterung unserer mentalen Modelle erleichtern, 5. die Konzentration des Betrachters stärken, indem sie ihn auf das Bild fokussieren und so Aufmerksamkeit bündeln, 6. die Kommunikation strukturieren und koordinieren können, d.h. die am Wissenstransfer Beteiligten zu stärker abgestimmten Wortmeldungen führen. Doch wie wendet man diesen Ansatz nun konkret selbst an? Um ein Gebiet mittels einer passenden grafischen Metapher zu strukturieren, empfehlen wir das folgende, erprobte Vorgehen in vier Schritten: 1. Identifizieren Sie die Kerneigenschaften eines Themas, welches Sie strukturieren möchten, um es selbst besser zu verstehen oder anderen einprägsam vermitteln zu können. Tun Sie dies, indem Sie an dessen Hauptbotschaft oder Kernaussagen denken. 2. Überlegen Sie nun, in welchem Sektor oder Gebiet (das Ihnen oder Ihrer Zielgruppe gut bekannt ist) diese Eigenschaften ebenfalls vorhanden sind. In der Metaphertheorie spricht man hier von der Ursprungsdomäne, aus der die Metapher entlehnt wird. 3. Wählen Sie in diesem Gebiet etwa, das sich gut abbilden lässt, einen Gegenstand, ein Phänomen oder eine Tätigkeit. Bedenken Sie dabei, dass der Gegenstand eine einfache Struktur aufweisen

sollte, die in verschiedene Bereiche oder Zonen aufgeteilt werden kann. 4. Tragen Sie nun auf das gewählte Bild relevante Informationen zum Thema ein, indem Sie diese in den entsprechenden Zonen verorten. Eine grafische Metapher, die dabei als Hintergrund für die Informationsstrukturierung dient, muss mindestens drei Kriterien erfüllen: Sie muss (bei der Zielgruppe) passende Assoziationen hervorrufen, die einem eine Erkenntnis über das Thema signalisieren. Sie muss weiterhin eine geeignete Form bzw. eine geeignete Anzahl von Zonen oder Bereichen aufweisen, sodass Informationen sinnvoll darin gruppiert werden können. Schließlich sollte die Metapher auch ausreichend flexibel sein, um Ergänzungen oder Modifikationen zuzulassen. Visuelle Metaphern können grundsätzlich einfach mit Papier und Bleistift erstellt werden. Digital können Sie auch durch die Kombination der Google-Bildsuche und Powerpoint leicht grafische Metaphern als Strukturierungshilfe nutzen. Eine etwas elegantere Lösung ist die Verwendung einer Software, wie etwa www.lets-focus.com, welche eine große Anzahl von ergiebigen, visuellen (interaktiven) Metaphern zur Verfügung stellt. Aber Achtung: Gewisse visuelle Metaphern wurden schon so oft benutzt, dass sie weder für uns noch für andere motivierend oder besonders merkwürdig (im eigentlichen Sinne) sind. Derartige (negative) Klischee-Metaphern sind beispielsweise das Haus oder die Straße. Suchen Sie deshalb nach neuen, originellen, überraschenden Metaphern, um ein Gebiet oder eine Idee zu erhellen. FAZIT: SAGEN SIE’ S BILDLICH Neben Schemaskizzen und visuellen Metaphern gibt es natürlich noch viele weitere Formen des Visual Thinking, die äußerst nützlich sind. Denken Sie etwa an quantitative Diagramme, einfache Comic-Sequenzen, interaktive Computerbilder, räumliche oder gegenständliche Visualisierungen oder emotionale Fotos und Symbole. Das visuelle Spektrum an Gestaltungsformen ist riesig. Sollten wir uns da wirklich nur auf die verbale Ausdrucksweise beschränken? Probieren Sie Visualisierung jenseits der Folienpräsentation aus und entdecken Sie selbst, wie wirkungsvoll und einfach Handzeichnungen und grafische Metaphern sein können.

Sketching at work 35 starke Visualisierungs-Tools Martin J. Eppler, Roland Pfister Schäffer-Poeschel Verlag ISBN: 978-3-7910-3212-2 147 Seiten, (D) 19,95 € www.schaeffer-poeschel.de

Management-Atlas Management-Methoden für den Arbeitsalltag Martin J. Eppler, Jeanne Mengis Carl Hanser Verlag ISBN: 978-3-446-42701-3 240 Seiten, (D) 29,90 € www.hanser-fachbuch.de

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BERLIN Perspektiven

Anders gesehen DIAGRAMME & CO. AUS NEUEN BLICKWINKELN

tyDesIgN

w’s My Fishing?

Visual stories

BreaKINg NeWs

213 Peter ØrNtoFt Information graphics In Context this project illustrates a ranked list of social concerns in Denmark. using data from a poll conducted by a major Danish consultancy company, the diagrams were shaped and designed according to the context of specific polls within each concern. Providing context allows the reader to understand multiple layers of information about the data. the usual use of photography for the infographic creates a direct link from abstract data to everyday life. year: 2010—university project—Client: the Danish Design school, Copenhagen, Denmark

15 oben links: »The Movies Flowcharts« zeigt, was alles in einem Filmprojekt passiert, von Gregory Ferembach unten links: »Information Graphics In Context« zeigt eine Rangliste von sozialen Anliegen in Dänemark, von Peter Ørntoft rechts groß: Greenpeace »Oceans«-Kampagne – How’s My Fishing?, von DensityDesign aus Visual Storytelling © Die Gestalten Verlag, 2013

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Die Kernidee von Visual Storytelling besteht darin, bekannte visuelle Zusammenhänge zu nutzen, sie neu zu besetzen, umzudeuten und beim Betrachter Assoziationsräume zu erzeugen, um abstrakte Zusammenhänge bildlich und ästhetisch erfahrbar zu machen – gleichermaßen verständlich wie innovativ. In Tageszeitungen und Magazinen, auf Websites, in der Werbung, in Museen und in Geschäftsberichten wird die visuelle Darstellung von Zusammenhängen intensiv eingesetzt. Visual Storytelling ist das erste Buch, das sich ausschließlich auf zeitgemäße und experimentelle visuelle Erscheinungsformen und Erzählweisen fokussiert, die sich explizit als solche klassifizieren lassen. Die hier präsentierte große Auswahl teilweise bahnbrechender Beispiele wird eingehend erläutert: mit einer Einleitung und Texten des Magazin-Profis Andrew Losowsky, durch Interviews mit Experten von der »New York Times«, Density Design, Golden Section Graphics, Les Graphiquants sowie mit Francesco Franchi, Carl Kleiner, Antoine Corbineau und Peter Grundy. Die inspirierenden, kenntnisreichen, interaktiven und unterhaltsamen Arbeiten und Texte 71 zeigen auf, wie die Kontextualisierung von Informationen heute gestalterische und ästhetische Entwicklungen vorantreibt.


al storyteller

BERLIN Perspektiven

sketchbook

CarL KLeINer

memade is Best

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Carl Kleiner with Forsman & Bodenfors sketches evelina Bratell and Carl Kleiner Made Before the Ikea shoot Homemade Is Best — Pepparkaka Homemade Is Best — Princess Cake

17% very satisfied

year: 2010—Client: Ikea—stylist: evelina Bratell—retouch: F&B Factory 63% 16%

satisfied

VISUAL STORYTELLING

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1% unsure

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Inspiring a New Visual Language

Featuring the Chapters

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1. Seeing the News

2. Viewing Science and Technology

3. Looking at Travel and Geography

4. The Modern World

5. Observing Sports

Visual Storytelling 1

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Visual stories

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Inspiring a New Visual Language Robert Klanten, Sven Ehmann, Floyd E. Schulze Die Gestalten Verlag, 2013 ISBN: 978-3-89955-375-8

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165 oben groß: »Composition of Mammals« zeigt die komplexe Anatomie verschiedener Säugetiere, von Wataru Yoshida links: »24 Hours in Cape Town« von Fernando Volken Togni oben rechts: »Homemade is Best – PrincessCake« zeigt eine Zutatenabbildung von Carl Kleiner with Forsman & Bodenfors rechts: »The Paper Pie Chart« stellt den Zusammenbruch der Papierproduktion in den Vereinigten Staaten im Jahr 2000 dar, von Alexandra Muresan

aus Visual Storytelling © Die Gestalten Verlag, 2013

256 Seiten, (D) 44,00 € www.shop.gestalten.com aLeXaNDra MuresaN P. 108 the Paper Pie Chart Various paper products such as tissue, cardboard, writing paper, and newsprint are used in corresponding amounts to make a pie chart representing the breakdown of paper production in the united states in 2000. year: 2010—Personal project—Material: Paper assemblage, photography, poster—Photography: alexandra Muresan—Data source: american Forest and Paper association

Co2 Paper Pie Chart alexandra Muresan constructed the CO2 Paper Pie Chart using data from cutco2.org, erasecarbonfootprint. com, eoearth.org, american Forest, and Paper association. the pie chart is a three-dimensional piece that uses colors and an accordion style folding technique to create either the letter “C” or “o.” When folded as a “C,” the viewer sees the multiple ways in which Co2 is polluting the atmosphere including airplane travel and manufacturing. When refolded, the pie becomes the letter “o,” which reveals tips for reducing carbon emissions.

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year: 2010—Personal project—Paper assemblage, photography, poster

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BERLIN Methoden

Bildlich gesprochen WIE AUS DATEN BILDGESCHICHTE WIRD

Visual Storytelling und Infografiken erleben gegenwärtig eine Blütezeit: Auf einen Blick erfassbar, sachlich und meist wertneutral sollen sie Menschen mit wenig Zeit, aber hohem Informationsbedarf über komplexe Themen und Zusammenhänge informieren. Doch wie verwandeln sich Daten und Fakten zur Eurokrise, zur Relativitätstheorie oder zum Gesundheitssystem in Geschichtenbilder – und worauf kommt es dabei an? NSA–Affäre, Bundestagswahlkampf, Bürgerkrieg in Syrien: Wer am Weltgeschehen teilnehmen will, informiert sich. Doch das hohe Informationsaufkommen des Weltenlaufs steht selten in angemessenem Verhältnis zum Zeitbudget eines Berufstätigen. Kein Wunder also, dass Tools, mit denen sich Vielschichtiges schneller erfassen lässt, gefragter sind denn je. Die Geschwindigkeit, mit der eine Infografik ihre Aussage vermittelt, ist nicht gleichzusetzen mit der ihres zeitlichen Entstehungsprozesses. Besonders dem Entwurf des Visual Storytelling – den größeren Feature-Infografiken, die bei komplexeren Themen wie etwa dem Gesundheitssystem, der Eurokrise oder der Relativitätstheorie Anwendung finden – geht ein aufwendiges Verfahren voraus. Grafik- und Kommunikationsdesign-Agenturen sind somit schon lange nicht mehr nur Gestalter, sie sind zugleich investigative Journalisten und visuelle Geschichtenerzähler. Zu Beginn ihrer Arbeit stehen der gut recherchierte Hintergrund, das Verständnis für Materie und Historie des Themas und die Fähigkeit, zwischen zuverlässigen und fragwürdigen Quellen zu unterscheiden. Während dieser Phase werden gewaltige Datenmengen, die Big Data, gefiltert und unterschiedliche Quellen miteinander verglichen. Die Qualität der gesamten Arbeit steht und fällt mit einer seriösen Originalquelle. Gerade an diesem aufwendigen Recherche- und auch Denkprozess wird aus Zeitgründen häufig gespart. Das Copy PastePrinzip solcher Schnellschüsse führt allerdings dazu, dass neue Fehlerquellen im Datendschungel heranwachsen und wieder bedenkenlos weitergegeben werden.

JAN SCHWOCHOW Jan Schwochow ist Inhaber und kreativer Kopf der Agentur Golden Section Graphics in Berlin. Der Diplom-Designer blickt auf über 20 Jahre Erfahrung als Infografiker, Designer und Journalist zurück: etwa als Ressortleiter und Art Director der Infografik des »Stern« und danach in gleichen Funktionen beim Verlag Milchstraße. Ab 2004 baute er die InfografikAbteilung der Berliner Agentur KircherBurkhardt auf und leitete sie, bevor er sich 2007 mit dem Büro Golden Section Graphics selbständig machte. Die Arbeiten seines inzwischen 15-köpfigen Teams wurden national und international mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt. Jan Schwochow ist Mitglied im Art Directors Club für Deutschland e.V. und in der Society for News Design. www.golden-section-graphics.com

links: Infografik über den Untergang der »Titanic« vor 100 Jahren für die GRAFIK-Serie in der Wochenzeitung »DIE ZEIT«, 2012. © Jan Schwochow

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BERLIN Methoden

SKIZZEN, SCRIBBLES, KREATION Bis zu diesem Zeitpunkt spielen weder Technik noch Zielmedium eine Rolle. Ist das Thema jedoch erst einmal ausgeleuchtet, geht es an seine Umsetzung. Zunächst werden unterschiedliche Skizzen erstellt, die mehrere Lösungsansätze veranschaulichen. Wurde sich auf eine Lösung geeinigt, wird die Grafik vom Groben bis in die Feinheiten ausgebaut. Je nach Thema stehen dafür verschiedene Techniken und Stilrichtungen zu Verfügung. Je nach Bedarf reicht die Bandbreite von klassischen Handzeichnungen über Kartografie bis hin zu wunderbar realistischen Grafiken und 3-D-Animationen. Dank der zur Verfügung stehenden Datenmengen im Internet und durch die Kenntnisse spezieller Tools können am Computer großartige Dinge geleistet werden. Doch es gibt auch Situationen, in denen Infografiken per Hand gebastelt und abfotografiert werden, um eine optimale Plastizität zu erreichen. AM ENDE BLEIBT ES LEIDENSCHAFT Neben einem visuellen Verständnis für komplexe Sachverhalte, Know-how und möglichst viel Erfahrung sollte ein Infografiker vor allem Leidenschaft für seinen Beruf mitbringen, um eine herausragende Leistung erbringen zu können. Und natürlich Geduld. Der Entwurf mancher Arbeiten kann Wochen oder sogar Monate in Anspruch nehmen.

Von der Skizze über das 3-D-Rendering zum Layout: Infografik für ein Kundenmagazin des LKW-Herstellers MAN zum Thema Fahrerassistenzsysteme. © Jan Schwochow

rechts: Infografik über den 50. Jahrestag des Mauerbaus für die GRAFIK-Serie in der Wochenzeitung »DIE ZEIT«, 2011. © Jan Schwochow

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BERLIN Einblicke

Einfach wegweisend PIKTOGRAMME MACHEN DAS LEBEN EINFACHER

Sie geben Orientierung und ersparen Zeit. Ebenso bunt wie die Bildzeichen selbst ist ihre Entstehungsgeschichte: vom Au﬍lärungsgedanken zur Turnübung im Garten – es ist alles dabei! Kommunikation findet auf vielen Ebenen statt: als Wort, als Blick, als Bild – je eingängiger sich die Botschaft vermitteln lässt, umso größer ihre Reichweite. Ein Grund, warum Piktogramme (aus lat. pictus »gemalt« und griech. gramma »Schriftzeichen«) dort eingesetzt werden, wo sich viele Menschen in Umgebungen hoher Informationsdichte zurechtfinden müssen, z.B. in Wegeleitsystemen öffentlicher Räume oder in OnlineUser-Interfaces. Piktogramme sorgen dafür, dass man auf jedem Flughafen der Welt erkennt, wo der Koffer ankommt, wie man in einer fremden Stadt den Weg zum Bahnhof finden oder online das Lieblingsbuch bestellen kann. Piktogramme machen es möglich, dass man sich ohne Worte länder- und kulturübergreifend verständigen, informieren und orientieren kann. Die Besonderheit ihrer kommunikativen Kraft fußt auf der grafisch reduzierten Darstellung eines realen Objekts. Das Piktogramm transportiert auch komplexe Botschaften so leicht verständlich und einprägsam, dass jeder sie begreift; Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen ebenso wie Analphabeten. Erste Vorläufer von Piktogrammen, wie wir sie heute kennen, lassen sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Verkehrsschildern finden: Kurven, Doppelkurven, Höcker, Bahnübergänge und Gefälle – weiße Formen auf schwarzem Grund, schlicht und auf einen Blick schnell zu erfassen. 1936 gilt als eigentliches Geburtsjahr der modernen Piktogrammsprache, der Wiener Soziologe und Philosoph Otto Neurath (1882 – 1945) und der deutsche Grafiker Gerd Arntz (1900 – 1988) als ihre Väter. Die Intention des Sozialdemokraten Neurath war sozial-politisch motiviert und trägt den Kern des Kant’ schen Aufklärungsgedankens in sich: Durch eine »Verbildsprachlichung« wollte der Leiter des Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums Wien den nicht-alphabetisierten Arbeiterschichten einen Zugang zum aktuellen Zeitgeschehen, zu sozialen, wirtschaftlichen und politischen Themen ermöglichen, um die Mündigkeit jedes Einzelnen zu fördern. So entwickelte er mit dem »International System Of Typographic Picture Education«, kurz ISOTYPE, eigentlich eine Bildsprache zur visuellen Pädagogik. Mit Unterstützung von

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Gerd Arntz entstand Anfang der 30er Jahre ein mehr als 4.000 Zeichen umfassendes Grafik- und Zeichensystem, das über Landes- und Standesgrenzen hinweg wirtschaftliches und politisches Wissen demokratisieren und zur interkulturellen Verständigung beitragen sollte. Arntz übersetzte Neuraths sozialpädagogische Ansprüche in eine klare, reduzierte Bildsprache und illustrierte so Themen aus Industrie, Wirtschaft und Politik. ISOTYPE umfasst ikonische Zeichen sowie Informationsgrafiken aus den Bereichen Arbeit, Militär, Transport, Landwirtschaft und Kommunikation. Allen gemein ist die grafische Übersetzung von Schlüsselinhalten in einfache Formen, die zu einer einmaligen semantischen Prägnanz führen. Was Arntz’ Piktogramme darüber hinaus zwar besonders, aber vielleicht weniger sympathisch machte, ist neben ihrer unverwechselbaren sozialistischen, schwarz-roten Färbung der sich darauf abbildende Charakter einer aufstrebenden deutschen Industrienation. Möglicherweise lieferte dieser »visualisierte Imperialismus« den wichtigsten Grund dafür, dass der weltweite Durchbruch von ISOTYPE ausblieb, selbst wenn einige Zeichen in ihren Grundzügen heute noch als Orientierungshilfen im öffentlichen Raum verwendet werden.


BERLIN Einblicke

Mehr Erfolg in der weltweiten Verbreitung seiner Werke konnte Otl Aicher (1922 – 1991) verbuchen. Als Gestaltungsbeauftragter der Olympischen Sommerspiele 1972 in München entwarf er ein 180 Zeichen umfassendes Piktogramm-System, das noch heute international Verwendung findet. Aicher reduzierte olympische Disziplinen auf eine typische Sportlerpose und visualisierte sie in einfachen, geometrischen Formen. Das bedurfte nicht nur Designgeschicks, sondern hinsichtlich menschlicher Bewegungsabläufe einer exakten Beobachtungsgabe und Analysefähigkeit: Um seinen Piktogrammen das gewisse Etwas an Authentizität zu geben, soll – der Legende nach – seine Haushälterin Modell für verschiedene Disziplinen gestanden haben. Noch heute basieren die Piktogramme der Olympischen Spiele auf den Arbeiten Aichers. Und sie lassen sich nicht nur in den Stadien dieser Welt, sondern auch an Radwegen, in Bahnhöfen und z.B. an den Flughäfen Frankfurt, München und Amsterdam/ Schiphol finden. Zur maximalen Reduktion verwendete Aicher u.a. standardisierte Grafikelemente, einheitliche Strichstärken und Größen sowie ein und dasselbe Gestaltungsraster. Die große Verbreitung seines Piktogrammsystems ist allein einem einfachen Designprinzip geschuldet, das durch seine strenge Einfachheit, Konsistenz und Wiederholung eine eingängige, universell einsetzbare und leicht zu adaptierende Formensprache geschaffen hat. Damit hat Otl Aicher die damalige Kommunikation auf seine Weise revolutioniert – seine Piktogramme symbolisieren einen Meilenstein in der Designgeschichte.

Die Abbildung zeigt von links nach rechts ein Portfolio an Verkehrszeichen aus dem Jahr 1907 (© Mailtosap – Sascha Pöschl), Piktogrammen von Gerd Arntz (© Gerd Arntz – graphic designer, nai010 publishers; © Collection Gemeentemuseum Den Haag), Piktogrammen von Otl Aicher (© ERCO.com) und aktuell verwendeten Zeichen, z. B. aus dem Internet.

Auch heute leben viele Markendesigns von den kleinen Zeichen, die sich schnell und unabhängig von Muttersprache und Bildungsgrad verstehen lassen. Aus der digitalen Welt sind Piktogramme, die heutigen »Icons«, nicht mehr wegzudenken. Ob Einkaufskorb, Bewertungssternchen, Gefällt mir-Daumen, Briefumschlag oder eine kleine Diskette (obwohl diese heute keine Verwendung mehr findet) – man weiß genau, welche Inhalte und Funktionen sich dahinter verstecken. Als fester Bestandteil moderner Kommunikation sind Piktogramme heute kaum noch wegzudenken. Sie navigieren uns sicher durch fast alle öffentlichen und virtuellen Räume, sie ersparen uns Zeit, verkürzen Wege – und eignen sich vielleicht sogar für mehr: Denn der Anspruch des Teams Neurath/Arntz um 1930, mit ihrer Arbeit zur gesellschaftlichen Aufklärung beizutragen und auf einfache Art und Weise die Allgemeinbildung zu verbessern, ist heute aktueller denn je. Politische und ökonomische Bildung sind noch immer höchst relevante Aufgaben in unserer globalen Gesellschaft. Mit Blick auf politische Umwälzungen im Nahen Osten oder das wirtschaftliche Aufstreben junger Industrienationen entsteht vermehrt ein Auftrag gegenüber Gruppen und Regionen, in denen Analphabetismus oder eine nur rudimentäre Schulbesuche keine Seltenheit sind. Vor diesem Hintergrund drängt sich der Gedanke auf, ob Piktogramme sogar – wieder – zum Instrument einer neuen Bildungsoffensive werden können.

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BERLIN Methoden

Ken Robinson, Changing Educatio All images © CognitiveMedia 2011

Bezeichnendes Wissen DIE TRANSFORMATION VON WORT IN BILD Als gemeinnützige Organisation will die RSA (Royal Society for the encouragement of Arts, Manufactures and Commerce) innovative und praktische Lösungen für die sozialen Herausforderungen unserer Zeit finden und einem breitem Publikum zugänglich machen. Vor diesem Hintergrund wurde RSA Animate konzipiert, eine Serie, die den Transfer von Wissen durch Visualisierung revolutioniert hat: Synchron zum gesprochenen Wort werden die öffentlichen Redeund Vortragsveranstaltungen der RSA durch eingängige Illustrationen visualisiert und online als Animations-Filme bereitgestellt. Millionen Klicks, tausende Kommentare und eine große Verbreitung durch die Neuen Medien belegen den sensationellen Erfolg dieser Aufklärungsmethode des 21. Jahrhunderts.

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on onParadigms, Paradigms,London London16.6.08 16.6.08

BERLIN Methoden

Für die unterhaltsamen und lehrreichen RSA-Filmanimationen zeichnet das kleine, britische Unternehmen CognitiveMedia verantwortlich. Unter dem Motto »Inspirierte Geister verändern die Welt« kreieren sie ebenso fesselnde wie simple Bildgeschichten und stellen komplexe Zusammenhänge für jedermann einfach dar. www.thersa.org www.cognitivemedia.co.uk

Visualisierter Vortrag von Sir Ken Robinson »CHANGING EDUCATION PARADIGMS« und zwei Entstehungsprozesse © Cognitive Media 2011

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BERLIN Bildung

Design Thinking macht Schule DER RASANTE AUFSTIEG EINER INNOVATIONSMETHODE

Seit 2007 bietet das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam den Zusatzstudiengang Design Thinking an und fördert damit als erste akademische Einrichtung Europas eine revolutionäre Innovationskultur. Das wachsende Bewusstsein für den Erfolg dieser Methode, die auf alle Lebensbereiche anwendbar ist, hat das Interesse und die Nachfrage nach Design Thinking-Schulungen für Unternehmen rasant steigen lassen. Denn: Design Thinking kann für den Wettbewerbsvorsprung entscheidend sein! www.hpi.uni-potsdam.de

© School of Design Thinking Potsdam

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BERLIN Interview

Eine Veränderung von Arbeitskultur IM GESPRÄCH MIT DR. TIMM KROHN, CEO DER HPI ACADEMY, ÜBER DESIGN THINKING-AUSBILDUNGSPROGRAMME

Herr Dr. Krohn, wie kann man Design Thinking kurz zusammenfassen? Design Thinking wurde an der Stanford Universität von David Kelly entwickelt und dort mit der D-school institutionalisiert. Hierzu hat Hasso Plattner wesentlich beigetragen, der schon damals die Idee hatte, im Erfolgsfalle eine D-School auch nach Deutschland zu bringen. Das »Design« bei Design Thinking meint weniger Formgebung, als vielmehr ein Design von Ideen. Design Thinking ist eine Innovationsmethode, ein systematisierter Prozess, der in verschiedene Schritte unterteilt ist. Die drei Kernelemente sind neben der Anwendung des Design ThinkingProzesses die Multidisziplinarität bzw. Diversität von Teams, die an dem betreffenden Projekt (sog. Challenge) arbeiten sowie die Schaffung einer offenen, mobilen und hoch variablen Raum- und Arbeitsplatzsituation. In dieser freien Atmosphäre ist Platz für eine erstaunliche Menge neuer Ideen. Design Thinking eignet sich für fast alle Aufgabenstellungen, z. B. Produktentwicklung, Prozessoptimierungen, besonders auch Strategieentwicklung – und: Die Methode ist immer lösungsorientiert. Beim Prozess gibt es, kurz gesagt, zwei logische Schwerpunkte: Die Betrachtung des Problems, der Challenge, aus unterschiedlichen Perspektiven, vor allem aus der Sicht der jeweiligen »Nutzer«, und den Lösungsteil, in dem aus einer Riesenmenge von Ideen die Hauptstränge herausarbeitet und anschließend visualisiert werden. Mit der School of Design Thinking in Potsdam und der HPI Academy bietet das Hasso-Plattner-Institut europaweit den Ausbildungsstandort in Sachen Design Thinking. An der D-School können junge Menschen Design Thinking in einem Zusatzstudium erlernen. Wer studiert bei Ihnen, wie ist der Studiengang aufgebaut? Das Studium an der D-School ist derzeit in zwei Abschnitte unterteilt: in den Basic und in den Advanced Track. Jährlich beginnen rund 160 junge Studierende den Basis Track Design Thinking, also das Grundlagen-

training. Die Studenten sind international, kommen im Mittel von 40 unterschiedlichen Hochschulen und aus circa 50 verschiedenen Fachbereichen. Aus den Absolventen des Basic Track rekrutieren sich wiederum 40 Studenten pro Semester für den Advanced Track, in dem die Studenten auf großen 12-Wochen-Projekten zu einer bestimmten Aufgabenstellung forschen, die wir zusammen mit externen Partnern unternehmen. Und derzeit arbeiten wir noch an einem Professional Track und einem Zertifizierungsprogramm für den HPI »Design Thinking Coach«. Die Angebote der HPI Academy sind sehr teuer, sehr gefragt und sprechen die älteren Studierenden mit maßgeschneiderten Design Thinking-Angeboten an. Wer studiert bei Ihnen? Als HPI Academy oder D-School arbeiten wir mittlerweise mit 16 der insgesamt 30 DAXUnternehmen zusammen. Es gibt inzwischen aber auch viele Initiativen mittlerer Unternehmen aus allen Branchen, die in das Thema einsteigen wollen. Und natürlich ist Design Thinking in Agenturen sehr gefragt. Welche Angebote gibt es konkret? Für Einzelpersonen, Selbstständige oder einzelne Mitarbeiter eines größeren Unternehmens eignen sich die Open Courses. Die finden etwa vier Mal im Jahr statt und werden sehr gut besucht. Die Unternehmen selbst buchen meist einmal einen Unternehmensworkshop für bis zu drei ihrer Mitarbeiter und schauen dann, was im Unternehmen passiert durch das Anwenden von Design Thinking. Darüber hinaus schneidern wir Workshops nach Maß für Unternehmen, die mit Problemstellungen zu uns kommen. Und wir bieten auch Design Thinking-Initiativen an, wie zum Beispiel die für SAP. Dabei wurden Mitarbeiter weltweit und über einen längeren Zeitraum von etwa einem Jahr geschult, systematisch die Richtung umgestellt, d.h. die Innovationsprozesse konsequent nach Design Thinking-Prinzipien ausgerichtet. Das hat Procter & Gamble bereits vor knapp

zehn Jahren groß gemacht – darüber gibt es ein schönes Buch von Roger Martin. Welche Entwicklungen beobachten Sie innerhalb der Unternehmen? Design Thinking steigt weiter in Wert und Bekanntheit. Es gibt Unternehmen, die treten mit ganz konkreten Fragestellungen zu Strategiethemen an uns heran, es gibt aber auch viele, die ganze Abteilungen in Design Thinking schulen lassen, um bestimmte Ansätze im Unternehmen zu implementieren. Design Thinking ist letztendlich ja auch eine Frage einer Veränderung von Arbeitskultur – wird das vom Management getrieben, dann ist die Initiative natürlich nachhaltig für das Unternehmen. Viele haben das inzwischen begriffen. Macht es nicht auch Sinn, einzelne Personen aus Unternehmen in der Design Thinking-Methode schulen zu lassen, um diese anschließend im Unternehmen zu verankern? Ja, gewiss. Momentan hören wir sehr oft: »Bitte bildet uns als Design Coach aus!« Es besteht zur Zeit eine enorme Nachfrage, die eigenen Mitarbeiter schulen zu lassen, und diese Nachfrage können wir kaum decken. Begreift man die Open Courses als Fortbildung, ist das sicherlich das Beste, was es zur Zeit auf dem Markt gibt – ganz unbescheiden! Aber wir arbeiten, wie gesagt, an einem zertifizierten Ausbildungsprogramm für den »Design Thinking Coach«. Nach erfolgreichem Abschluss kann er dann nach unserer Methode selbst ausbilden, im Unternehmen arbeiten oder aber entsprechende Workshops für Unternehmen durchführen. Welche weiteren Entwicklungen sehen Sie für die D-School? Wir bekommen diverse Anfragen aus dem Ausland, beim Bau von D-Schools Unterstützung zu leisten und diese D-Schools auch an die jeweiligen kulturellen Gegebenheiten entsprechend anzupassen; in Malaysia zum Beispiel ist das bereits umgesetzt worden. Die Zukunft bleibt also lebendig und spannend!

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BERLIN Methoden

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BERLIN Methoden

»Ich kann nicht zeichnen«

WIE DESIGN THINKING HELFEN KANN, VISUELLES DENKEN UND ARBEITEN IM ARBEITSALLTAG ZU ETABLIEREN

JOCHEN GÜRTLER

Design Thinking verspricht innovative und nutzerzentrierte Lösungen für oft schwer zu fassende und komplexe Probleme. Ursprünglich an der Universität Stanford entwickelt und in der amerikanischen Innovationsagentur Ideo in zahlreichen Projekten mit Kunden aus unterschiedlichsten Branchen gewinnbringend genutzt, hält Design Thinking mittlerweile mehr und mehr auch in den Arbeitsalltag deutscher Firmen und Organisationen Einzug.

Jochen Gürtler ist studierter Informatiker und als Innovations-Manager bei SAP tätig. Er ist zudem Lehrbeauftragter an der School of Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam und an der Universität Mannheim. Als Gestalttherapeut, Business-Coach und Mentor bietet er Vorträge und Workshops zu Design Thinking, Innovation und Teamentwicklung an. Er lebt und arbeitet in Karlsruhe und Berlin. www.jochenguertler.de

links: Showcase – Visual Thinking im Prozess © Jochen Gürtler

Neben der Arbeit an konkreten Fragestellungen zu zukünftigen Produkten und Dienstleistungen ist Design Thinking dabei oft auch Katalysator, um vorherrschende Arbeitsprozesse in Frage zu stellen und eine neue, innovativere Arbeitskultur zu etablieren. Design Thinking sieht interdisziplinäre Teams vor, die in flexiblen Räumlichkeiten und einer experimentierfreudigen, fehlertoleranten und vertrauensvollen Atmosphäre arbeiten. Dabei folgen sie einer höchst iterativen Arbeitsweise, die als ersten Schritt echtes Problemverständnis und Empathie für potenzielle Nutzer von möglichen zukünftigen Lösungen vorsieht und, darauf aufbauend, dann mit der Lösungsfindung startet, die durch schnelles und kontinuierliches Bauen von einfachen Prototypen und Testen von Ideen gekennzeichnet ist. Visuelles Denken und Arbeiten sind dabei wichtige Bausteine, die am Ende die Kraft von Design Thinking mit ausmachen.

30 Minuten Design Thinking Jochen Gürtler, Johannes Meyer Gabal Verlag ISBN: 978-3-86936-486-5 96 Seiten, (D) 8,90 € www.gabal-verlag.de

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BERLIN Methoden

INSPIRIERENDER RAUM Und das beginnt meist schon beim allerersten Kontakt mit Design Thinking – typischerweise in einem ein- oder mehrtägigen Workshop, bei dem ein Team mit der Arbeitsweise vertraut gemacht wird. Denn die klassischen Design Thinking-Räume haben mit herkömmlichen Büros oder Arbeitsplätzen wenig zu tun. Im »Design Thinking Space« ist es bunt und inspirierend: Oberflächen wie Tische und Wände sind beschreibbar und laden zum Skizzieren und Malen ein, Möbel sind beweglich und motivieren zum gemeinsamen Arbeiten im Stehen. Und die Agenda für den Tag wird nicht als triste Folie an die Wand geworfen, sondern bunt, erfrischend und handgemalt am Whiteboard oder Flipchart präsentiert. VISUAL CHECK-IN »Be Visual« lautet einer der Grundsätze von Design Thinking, und das wird oft schon in der ersten Vorstellungsrunde gelebt und geübt. Denn anstatt um eine Vorstellungsrunde, in der die Länge der Betriebszugehörigkeit oder bisherige und aktuelle Projekte im Vordergrund stehen, geht es um die Frage, was am letzten Wochenende auf dem Programm stand, oder um eine kleine Anekdote aus dem Leben, die so noch keiner der Anwesenden kennt. Und alle Antworten bitte visuell – als einfache Skizze auf einem Post-it. Dieser »Visual Check-In« eignet sich im Übrigen auch hervorragend als inspirierende Ergänzung zum täglichen »Stand-Up« oder zur regelmäßigen Team-Retrospektive und führt oft zu lustigen Diskussionen und Kommentaren, die das Team erfrischt und gut gelaunt in den Arbeitstag starten lassen. VERTRAUENSVOLLE ATMOSPHÄRE Eine große Chance beim Einsatz von Design Thinking ist zweifelsohne die Integration von »Teambuilding«-Maßnahmen in die tägliche Arbeit an den eigentlichen Projekten und Aufgaben. Der oben beschriebene »Visual Check-in« ist ein kleines Beispiel dafür, die Verwendung von Postkarten oder Bildern während einer Team-Retrospektive ein weiteres: Welches Bild zeigt Deine aktuelle Stimmungslage? Mit welchem Motiv würdest Du den Zustand unseres Projekts beschreiben? Welches Foto zeigt am besten, was wir verändern müssen? Das können Fragen sein, die einen persönlichen Austausch innerhalb des Teams anstoßen, motivieren und allzu kopflastige Diskussionen über den Status quo verhindern.

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VISUELLES PLANEN Auch wenn Design Thinking das Ausprobieren, das Experimentieren und das Finden innovativer und überraschender Lösungen verspricht, ganz ohne Planung und Vorbereitung geht auch dies meist nicht. Aber anstelle umfangreicher Excel-Sheets oder nur schwer zu bedienender Projektmanagement-Software finden sich auch hier visuelle Werkzeuge, die das Team darin unterstützen, gemeinsame Ziele zu definieren oder das nächste anstehende Projekt zu planen. Exemplarisch sei an dieser Stelle David Sibbets »Gameplan« erwähnt, der sich – für alle gut sichtbar platziert im »Team Space« – wunderbar dazu eignet, innerhalb des Teams zu einem gemeinsamen Verständnis von Chancen und Risiken des Projektes, von vorhandenen Ressourcen, den nächsten Schritten oder möglichen und gewünschten Ergebnissen zu kommen. DEM BENUTZER EIN GESICHT GEBEN Die Empathie für den Benutzer ist eines der zentralen Ziele eines jeden Design ThinkingProjekts und Ergebnis meist umfangreicher Recherchen. Kondensiert wird diese Empathie dann oft in einer oder mehreren Personas, die den zukünftigen Benutzer möglichst lebensecht beschreiben. Und neben Namen, Alter, Beruf, familiärer Situation, Hobbys oder wesentlichen Bedürfnissen wird die Persona natürlich auch visuell passend dargestellt. Auf einem Poster, ab und an sogar als Lego-Figur oder Puppe – wichtig ist nur, dass damit jeder im Team auf einen Blick weiß, »für wen« zukünftige Lösungen gebaut werden. INSPIRATION FINDEN Viele Idee helfen oft, die guten Ideen zu finden, und daher ist es zu Beginn wichtig, möglichst viele Ideen zu finden. Auch hier können Bilder, Postkarten oder konkrete Gegenstände helfen und inspirieren, Ideen zu finden, die wirklich aus dem vielzitierten Rahmen fallen. Je ausgefallener die angebotenen Bilder dabei sind, desto besser. Denn so sind auch die damit verbundenen Assoziationen jedes Einzelnen umso unterschiedlicher und versprechen wirklich viele, wilde Ideen.

IDEEN ANFASSBAR MACHEN Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte, und gerade während der Ideenfindung ist es wichtig, den kreativen Fluss nicht durch allzu viel Text zu behindern. Daher werden Ideen schnell auf Post-it-Zetteln skizziert und mit dem Team geteilt. Dabei kommt es nicht auf Schönheit an; dank dem »Visual CheckIn« sind alle Beteiligten auch schon gut geschult im visuellen Ideenschmieden. Und sobald dann aus Ideen erste Prototypen entstehen, die bestimmte Funktionen oder Aspekte einer Lösung anfassbar und damit auch testbar machen, wird aus einzelnen Post-it-Zetteln beispielsweise eine »Customer Journey«, mit der dann direkt Feedback von zukünftigen Benutzern eingeholt werden kann. MEHR ALS DEKORATION! Die Wände eines typischen »Design Thinking Space« füllen sich über die Zeit meist mit jeder Menge visuell aufbereiteter Information. Angefangen beispielsweise mit dem Gameplan über Personas oder prototypische Story-Boards bis hin zu jeder Menge Post-itZetteln, die unzählige Datenpunkte aus der Recherche oder Ideen sichtbar und greifbar machen. Diese visuelle Dichte hilft ungemein, sich als Team auf das aktuelle Projekt einzulassen, es förmlich aufzusaugen. Ein kleiner Fallstrick soll an dieser Stelle aber nicht verschwiegen werden: Denn allzu schnell wird daraus auch reine Dekoration, die zwar hübsch aussieht, aber nicht wirklich benutzt wird. Hier hilft der regelmäßige Gang entlang der Wände (vielleicht während einer Team-Retrospektive), bei der im Team entschieden wird, welche »Visuals« noch aktuell sind, welche nicht mehr benötigt werden oder wie man das eine oder andere archivieren kann.


BERLIN Praxis

Und los geht’s! Rein sprachbasierte Kommunikation ist langsam, anfällig für Missverständnisse und oft wenig inspirierend. Das Argument »ich kann nicht zeichnen« zählt leider nicht – jeder kann sofort damit anfangen, seine Kommunikation durch einfache visuelle Unterstützung effizienter und gewinnender zu gestalten. Nehmen Sie sich einen Stift, ein Blatt Papier und fünf Minuten für diese leichten Visualisierungs-Experimente von Johannes Meyer (Co-Autor des Buches »Design Thinking«):

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BERLIN Interview

Alle lieben »Spinner-Workshops« IM GESPRÄCH MIT INGO SCHWARZER, CTO DB SYSTEL GMBH, ÜBER DEN ERFOLGREICHEN EINSATZ VON DESIGN THINKING IN UNTERNEHMEN Spinner-Workshops? Genau, den Namen finden die meisten lustig. Aber exakt darum geht es: Herumspinnen im Sinne von Freiheit des Denkens und Handelns ohne Schere im Kopf! Mit völlig heterogenen Teams, vom Geschäftsführer Personal bis zum Helpdesk-Mitarbeiter, um Gottes willen nicht nur solche mit scheinbarer Kernkompetenz für das zu behandelnde Thema. Wo sich die Teilnehmer Impulse geben, wo sie Innovationskultur erleben, um später als Botschafter in ihren Bereichen zu wirken. Hier ist alles erlaubt, Visionen, Märchen, Falsches, Out of the box, gesunder Menschenverstand. Wilder Mix eben, wie auf einer guten Party. Und hier entstehen neue Projekte und verrückte Ideen für Produkte/Lösungen.

Kreativität braucht Freiraum: Innovationsterrain der DB Systel

Wie und wann ist Design Thinking in Ihr Unternehmen gekommen? Angestoßen wurde das durch Professor Walter Brenner von der Hochschule St. Gallen und durch Projekte mit der d.school in Stanford, das war etwa 2006, später über das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. Es hat dann aber drei Jahre Überzeugung gekostet, bis wir firmenintern die ersten, vollkommen unabhängigen Budgets dafür bekommen haben. So etwas in großen Konzernen wie unserem nachhaltig zu implementieren, ist nur was für Marathonläufer, nichts für Sprinter und geht nur von innen und unterstützt vom Topmanagement. DB Systel hat rund 3.300 Mitarbeiter, 500 Projekte und 800 Millionen Umsatz – da ist alles gut durchorganisiert, was perfekt ist, um Regelprojekte zu steuern. Aber Standardvorgehensweisen ermöglichen nur sehr selten disruptive Ideen und Lösungen. Also mussten wir sukzessive und feinfühlig vorgehen, um die Bedingungen für Design Thinking zu schaffen als einer Methode, die wir im Rahmen der Kreativtechniken im Innovationsmanagement anwenden. Nun gibt es in Berlin einen eigens umgebauten, riesigen Raum dafür, mit der richtigen Atmosphäre und flexiblem und für die DB Systel untypischen Mobiliar. Wir brauchen diesen Bruch zum Standard, um unsere Spinner-Workshops durchzuführen.

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Ein konkretes Beispiel, bitte! Ein spannendes Beispiel ist WorldInside, hier werden u.a. Daten aus Backend-Systemen, die in klassischen Datenbanken gespeichert sind, mit Hilfe einer neuen Lösung in eine 3-D-Darstellung überführt. Wir können aber auch jede beliebige Darstellung für Infrastruktur- und Technikbereiche realisieren. Zukünftig soll die Bedienung durch die Tastatur und Maus, wie heute üblich, durch die Bewegung der Hand ersetzt werden. Das muss man mal gesehen haben, um es sich vorstellen zu können: Ein wenig wie in diesem alten Science-Fiction-Thriller mit Tom Cruise, „Minority Report“ – bloß echt, ohne Hollywood-Tricks. Wie wird sich Design Thinking in Ihrer Branche entwickeln? Vieles heute ist noch Hype. Es bringt wenig, Externe mit dem Helikopter einzufliegen, viel Staub aufzuwirbeln – und danach zu behaupten, nun sind alle kreativ und innovativ. Firmeninterne Design Thinking-Schulungen sind nachhaltiger. Und: Die technologische Entwicklung wird immer schnelllebiger, immer disruptiver, die IT-Branche muss mit ihren Produkten schneller reagieren, Stichwort: time-to-market. Und wer dabei nur auf strukturierte Prozesse setzt, nicht auch auf innovative Spinner und ihre Ideen, auf Design Thinking Methoden eben, der wird verlieren.


BERLIN Kolumne

Die Zukunft wird gedruckt! Reinhard Berlin

»Dies geschieht vor dem Hintergrund einer sich zunehmend aus Online-Quellen bedienenden Leserschaft«: Mit dieser Begründung verabschiedete sich Anfang des Jahres der renommierte Fachverlag Addison-Wesley still und leise von seiner langjährigen Programmsparte IT-Fachliteratur. Mehr Aufmerksamkeit erhielt die Axel Springer AG, als sie Ende Juli 2013 zwei ihrer Flaggschiffe, die »Hörzu« und das »Hamburger Abendblatt«, verabschiedete. Ein weltweites Echo aber bekam die »Washington Post«, als sie kurz danach ihren Verkauf an den Internethändler und Amazon-Gründer Jeff Bezos bekannt gab. Dazu kommentierte »Spiegel Online«: »In 20 Jahren wird es keine gedruckten Zeitungen mehr geben. Wenn doch, vielleicht als Luxusartikel, den sich bestimmte Hotels erlauben, als extravaganten Service für ihre Gäste. Gedruckte Tageszeitungen werden in 20 Jahren nicht mehr normal sein.«Soweit ist es also mit den gedruckten Medien gekommen. Schnell wird die Schuld der Kostenlos-Kultur des Internets zugeschoben. Möglich. Aber es gibt auch tausend andere Gründe. Ist man wirklich bereit, am Kiosk 8,50 Euro für das ausgedünnte »Manager Magazin« auszugeben? Es hat doch vor gefühlt nicht allzu langer Zeit noch 4 Mark gekostet. Wer will montags in der Tageszeitung lesen, dass Michael Douglas über die Trennung von Frau Zeta-Jones nachdenkt? Das hat man doch schon am Freitag in großer Aufmachung online überflogen. Soll man als Drucker heulen, wenn man die Zukunftsprognose (siehe oben) aus dem Online-Spiegel liest? Im Gegenteil. »Hurra« muss man schreien, wenn da steht »Luxusartikel als extravaganter Service«. Da sind doch wir die Experten. Da ruft doch jemand nach unserer Leistung. Wir Akzidenzdrucker sind doch seit eh und je schon die Produzenten einer Kostenlos-Kultur. Oder haben die Verbraucher für die zahllosen Prospekte, die täglich unsere Maschinen verlassen, schon jemals einen Cent bezahlt? Natürlich brauchen wir keine Lose-BlattSammlung mehr. Aber wer verlässt sich auf einen noch-so-komfortablen Konfigurator, wenn er über eine neue Küche oder seinen Jahresurlaub nachdenkt? Der Fotodienstleister CEWE-Color etwa hat durch das Sterben der Analogfotografie zwar 90 Prozent seines Geschäfts verloren – und druckt doch heute mehr als fünf Millionen Fotobücher pro Jahr. Mit mehr Papier als je zuvor. Was gibt es da zu jammern? Papier ist Haptik. Papier ist Besitz. Papier ist genau der Luxusartikel, für den es sich lohnt, jeden Morgen aufzustehen. Ihn mit einer Botschaft zu versehen, ihn zu veredeln. Ihn zu einem lustvollen Erlebnis zu machen. Das ist unsere vornehmste Aufgabe. Und den schönsten Vorteil schenke ich Ihnen zum Schluss: Uns kann man nicht so einfach wegklicken. 25


© Artwork by Su Blackwell

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BERLIN Perspektiven

Die Auferstehung des Textes MIT IHRER FRAGILEN BUCHKUNST BRINGT SU BLACKWELL IMAGINATIONEN IN DIE WIRKLICHKEIT

Präzise schneidet die Londonerin mit einem Skalpell aus den Seiten zerlesener Werke Bäume, Häuser, Figuren, Blumen oder Schmetterlinge und lässt sie als zarte Miniaturen auferstehen – im Wortsinne, denn das aufgeschlagene Buch wandelt sich zum Unterbau für ihre verschmitzt-skurrilen 3-D-Arbeiten aus Papier. Stets bildet die jeweilige Geschichte zwischen den alten Buchdeckeln die Basis für das neue, ätherische Kunstwerk: Oft sind es Märchenklassiker, die Blackwell schon als Mädchen liebte. Die Ängste, Träume und Wunder der Kindheit sind es, mit denen sie sich auseinandersetzt und die in ihren feinen Dioramen eine psychologische Intensität, eine Dringlichkeit erlangen. Blackwell hatte bereits mehrere Einzelausstellungen, darunter in London und New York; ihre Arbeiten finden sich etwa in den Sammlungen des Museums Sheffield, des Brontë Parsonage Museum in Haworth/ Yorkshire sowie in der Privatsammlung von Tim Burton und Helena Bonham Carter. www.sublackwell.co.uk www.longandryle.com

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BERLIN Methoden

Brücken bauen, Umsatz steigern! DREI BEISPIELE ZEIGEN, WIE SICH VISUAL GROUP THINKING AUF DIE UNTERNEHMENSZAHLEN AUSWIRKEN KANN HOLGER GELHAUSEN Bereits im Alter von 18 Jahren organisierte Holger Gelhausen Trainings zu ganzheitlichen Lern- und Arbeitsmethoden, und die Faszination bezüglich der »berührenden« Kraft visueller Darstellung nahm dort ihren Anfang. In seiner beruflichen Laufbahn war er als Unternehmer, CTO, Bereichsvorstand für die Weiterentwicklung von Dienstleistungen tätig, für das Training von internen und externen Vertriebsmitarbeitern verantwortlich und für technische Pre-Sales-Mitarbeiter. Holger Gelhausen berät national und international Unternehmen, wie durch emotionale, visuelle Vertriebsmethodiken nachhaltige, profitable, partnerschaftliche Kundenbeziehungen entwickelt werden können. www.simtoko.de

Siebzig Prozent der Marketingunterlagen sind für den Vertrieb nicht zu gebrauchen: Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Aberdeen Group aus dem Jahre 2006. Wie entsteht diese Diskrepanz, die im Extremfall dazu führt, dass Vertriebsbeauftragte ihre eigenen Powerpoints und Flyer entwickeln – an der Marketingabteilung vorbei? Fritz B. Simon schreibt in seinem Buch »Einführung in die systemische Organisationstheorie«: »Aus den unterschiedlichen Aufgabenteilungen einer Organisation sind zueinander logisch im Widerspruch und Konflikt stehende Einheiten geworden.« Als Folge dieses Konflikts entsteht ein großer Kommunikations- und Reflexionsbedarf, der nur durch ein gemeinsames Verständnis und Handeln bezüglich der jeweiligen Ziele und Aufgaben gelöst werden kann. Mit Bildern oder anderen Artefakten können wir diese Differenzen überwinden und verschiedene Blickwickel und Perspektiven einnehmen.

AUSGANGSSITUATION Ein Technologieunternehmen hatte vor drei Monaten zum Pitch geladen. Die Aufgabenstellung gab vor, ein Konzept zu entwickeln, mit dem das Unternehmen in einem Geschäftsbereich seinen Umsatz um 100 Prozent würde steigern können. Dazu mussten zuerst die Ängste der Vertriebsbeauftragten überwunden werden: »Ich könnte eine Million mehr Umsatz machen, wenn... .« Jeder Vertriebsbeauftragte wurde unter anderem gebeten, ein Bild mit seinen persönlichen Vorstellungen, Motiven und Wünschen zu visualisieren.

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Dabei stehen verschiedene Vertriebs-Werkzeuge zur Visualisierung zur Verfügung: Drehbücher für Whiteboard Selling und A3-Skizzenpapier, Knowledge-Visualisierungen, Entscheidungskarten, Kunden-Spielfelder und visualisierte Cockpits. Visual Group Thinking ermöglicht es, anderen Menschen die eigenen Werte, Perspektiven und Interessen nachhaltig und umfassend zugänglich zu machen. Gleichzeitig werden beim Gegenüber weitere Assoziationsketten angestoßen, die ebenfalls neue Gedanken und Ideen hervorbringen. Der Austausch über die in diesem Prozess entstehenden Gedanken und Ideen führt zu einem vertieften, gemeinsamen Verständnis bezüglich Aufgaben und Lösungen. Eigene Grenzen (Denken, Fühlen und Handeln) werden überwunden, ein Geist der Neugierde, des Austausches, der Wertschätzung und der Verbundenheit entsteht. Er ist es, der die Potenzialentfaltung des Einzelnen und die der Gruppe enorm steigert. Wie durch die Methoden des Visual Group Thinking engagierte Menschen aus unterschiedlichen Einheiten außergewöhnliche Erfolge erzielen konnten, dokumentiert Holger Gelhausen anhand der drei folgenden Beispiele aus der Praxis:

Verdopplung des Umsatzes durch Abbau von Ängsten

ERGEBNIS Innerhalb von vier Monaten wurden 112 Mitarbeiter auf diese Weise geschult. Die neue Methode ermöglichte das Erreichen der Wachstumsziele nach einem Jahr.

DREHBUCH 1. Neue Erfahrungen in einem geschützten Raum 2. Wachstum und Reifen einer neuen Haltung 3. Vertrauen in eigene Dienstleistungen 4. Integration neuer, einfacher Vertriebswerkzeuge (Knowledge-Visualisierungen, zum Beispiel durch Entscheidungskarten)


BERLIN Methoden

AUSGANGSSITUATION Die Gesellschafter eines Unternehmens hatten bis Anfang 2009 zehn Wettbewerbsunternehmen aufgekauft. Die Aufgabe bestand darin, mit diesen ehemaligen Wettbewerbern ein gemeinsames Portfolio zu entwickeln und einen Geist der Gemeinschaftlichkeit zu erzeugen, des Sich-Trauens und des Aufbruchs. Dazu sollten für die CeBIT 2009 sechs Knowledge-Visualisierungen entstehen.

Aus ehemaligen Wettbewerbern werden Kollegen

DREHBUCH 1. Wertschätzen der bisherigen Kompetenzen und Erfahrungen 2. Erstellen von persönlichen Erfahrungsbildern 3. Wahlfreiheit durch zusätzliche Perspektiven 4. Überführung der individuellen Erfahrungsbilder in Teambilder 5. Entwicklung einer Vertriebs-Methodik 6. Entwicklung einer unverkennbaren, eigenen Symbolbibliothek

AUSGANGSSITUATION Ein Technologieunternehmen machte mit einem neuen Dienstleistungsprodukt zu wenig Umsatz. Der Abteilungsleiter stellte sich für das Vertriebskonzept eine »Schmerzverstärkung« vor (»Kann Ihre Frau das Haus noch halten, wenn Ihnen etwas passiert?«). Durch eine persönliche Ansprache sollte beim Kunden die Vorstellungskraft für die Notwendigkeit des Produkts angeregt werden.

Umsatzwachstum trotz erklärungsbedürftiger Dienstleistung

DREHBUCH 1. Entwicklung eines spannenden, interaktiven Workshop-Konzepts, das den Erfahrungshorizont des Kunden erweitert 2. Der Workshop sollte dem Kunden Spaß machen 3. Nutzung des visuellen Ergebnisses des Workshops als wichtiges Mittel zur internen Argumentation 4. Stärkung einer vertrauensvolle Beziehung 5. Maximale Durchführungsdauer vier Stunden

ERGEBNIS Es war bereits nach 17 Uhr, das winterliche Licht im Konferenzraum wurde immer trüber, und der Visual Group Thinking Workshop war vorüber. Doch keiner der rund 50 Teilnehmer machte auch nur die geringsten Anstalten, nach Hause gehen zu wollen. Die gemeinsame Arbeit hatte aus Konkurrenten Kollegen gemacht; aus dem gemeinsamen Verständnis heraus wurde auch die CeBIT 2009 ein voller Erfolg für das Unternehmen. Es bildeten sich lange Schlangen vor den Bilderständen, und es kam zu einer Verdoppelung der Leads.

ERGEBNIS Das Resultat war sofort für alle sichtbar. Plus ein zusätzliches Benefit: Entgegen der eigentlichen Planung, die KundenWorkshops kostenlos anzubieten, waren die Kunden sogar bereit, dafür zu zahlen. Damit gab es eine Reduzierung des »Free Consulting« um 60 und eine Steigerung des Umsatzes um 70 Prozent. Des Weiteren konnte sich das Unternehmen sehr positiv, als innovativ, kreativ und empathisch, in den Köpfen des Kunden etablieren. Damit stiegen unter anderem die Umsätze auch in anderen Bereichen.

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BERLIN Perspektiven

Des Pudels Kern WEHRLIS ORDNUNGSPRINZIP

Nach dem großen Erfolg von »Kunst aufräumen« nun die Fortsetzung einer genialen Buchidee. Denn den Bemühungen von Ursus Wehrli zum Trotz hängen in zahllosen Museen tatsächlich noch immer unordentliche Kunstwerke herum: Als hätten die Kuratoren nicht gezeigt bekommen, wie sich das fürchterliche Chaos, das die Künstler gemeinhin auf der Leinwand anrichten, effektiv, platzsparend, sauber und ohne großen Energieaufwand beseitigen lässt! Doch ein Mann wie Wehrli gibt so schnell nicht auf: In seinem zweiten Band zeigt er unter anderem, dass auch knurrende Lichtenstein’ sche Hunde, Seurats pointillierte Damen, rennende PicassoStrauße oder Klees Durchhaltegemälde in (eine) Ordnung zu bringen sind. www.ursuswehrli.com

oben: »Les Poseuses« von Georges Seurat unten: aufgeräumt von Ursus Wehrli

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BERLIN Perspektiven

link: »Liegender weiblicher Akt« von Egon Schiele rechts: aufgeräumt von Ursus Wehrli alle Abbildungen aus Noch mehr Kunst aufräumen © 2004 by KEIN & ABER, Zürich - Berlin links: »Schwarzer Kreis« von Kasimir Malewitsch rechts: aufgeräumt von Ursus Wehrli

Noch mehr Kunst aufräumen Ursus Wehrli Kein & Aber Verlag ISBN: 3-0369-5223-3 48 Seiten, (D) 16,90 € www.keinundaber.ch

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BERLIN Highlight

von Iko Freese / drama-berlin.de © by Komische Oper Berlin

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BERLIN Highlight

Phantasmagoria DIE MAGISCHEN BILDERWELTEN VON »1927«

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BERLIN Highlight

alle Fotos von Iko Freese / drama-berlin.de © by Komische Oper Berlin

Ihre von der Kritik umjubelten Inszenierungen »Between the Devil and the Deep Blue Sea« und »The Animals and Children Took to the Streets« wurden mehrfach preisgekrönt. Mit der Synthese aus LivePerformances, Animation, Musik und Sprechrhythmen, die auf faszinierende Art und Weise das Medium Film einbindet, haben Suzanne Andrade und Paul Barritt eine einzigartige Kunstform geschaffen, die nicht umsonst weltweit Begeisterung auslöst. Die originelle Ästhetik der Aufführungen ihres Ensembles »1927« erinnert an die Stumm- und Trickfilm-Ära der 20er Jahre und integriert dabei den Rhythmus der Sprache, die Musik und das Geschichtenerzählen auf Augenhöhe. Nun haben sie sich Mozarts angenommen: Wer »Die Zauberflöte« völlig neu erleben möchte, sollte dieses unvergleichliche Erlebnis an der Komischen Oper in Berlin auf keinen Fall verpassen.

Komische Oper Berlin Wolfgang Amadeus Mozart »Die Zauberflöte« Große Oper in zwei Aufzügen Libretto von Emanuel Schikaneder Regie: »1927«, Suzanne Andrade und Paul Barritt Termine 2014 Mo. 13.

Sa. 22.

März

Fr. 7.

Sa. 15.

Di. 18.

Mo. 24.

April

Do. 3.

So. 13.

Do. 17.

Mo. 21.

Mai

So. 4.

Sa. 10.

Februar

Fr. 25.

www.19-27.co.uk www.komische-oper-berlin.de

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EIN PSYCHO AUF HÖ(HE)RER EBENE

Abbildungen aus dem Hörbuch Das Haus © Der Audio Verlag

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BERLIN Perspektiven

Will Navidsons Nerven liegen blank. Sein gerade gekauftes Haus hat plötzlich Türen, wo keine sein dürften. Dahinter: Zugänge zu einem labyrinthischen, sich zudem ständig verändernden Raumsystem. Bei dessen Erforschung kommt es zu mysteriösen Zwischenfällen. Wohin verschwinden die Menschen? Welcher Schrecken wartet in der Dunkelheit? »Das Haus« gilt als die literarische Sensation des 21. Jahrhunderts, seine Audiofassung schrieb Radiogeschichte: Erstmals wurden vom WDR drei Hörspiele als Erzählperspektiven eines verschachtelten Romans simultan auf drei Wellen gesendet. Wie ein seltsames Fundstück oder die verstörende Hinterlassenschaft eines Vermissten mutet auch die Hülle dieses daraus entstandenen Hörbuchs an. Gefasst als wertiges Notizbuch, enthält es Merkwürdigkeiten, Unvollständiges, Indizien und greift den hochgelobten Inhalt ebenso wie den irritierend intelligenten Buchdruck und -satz des 2007 auf Deutsch erschienenen Hardcovers auf ganz eigenständige Weise auf.

Das Haus House of Leaves Mark Z. Danielewski Hörspiel ca. 159 Minuten DVD Der Audio Verlag (DAV) ISBN: 978-3-89813-995-3 (D) 29,99 € Sprecher: Tom Schilling, Wolfram Koch, Sascha Icks, Anna Thalbach, Robert Ciulli, Fabian Gerhard u.a. www.der-audio-verlag.de

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BERLIN Umschau

NOTION CUBE’S VISUAL THINKING notionCUBE ist die neuartige, visualisierungsbasierte Planungs- und Präsentationssoftware für alle, die Strategien, Ideen, Prozesse und Pläne entwickeln und visualisieren möchten. Dabei verbindet die Software alle wichtigen Bausteine zur Planung einer Strategie: 3-D-Visualisierungen, visuelles Kalkulieren von Zahlen über ansprechende Zahlenwürfel, dynamisches Präsentieren und gemeinsame Veränderungen von Planungen. notionCUBE bietet Managern und Beratern ein neues Werkzeugfundament, um ihre Vorstellungen von optimaler Strategieplanung besser realisieren zu können. Dabei lässt die Software Teammeetings, Schulungen und Vertriebspräsentationen nicht zur Frontpräsentation von festen Inhalten geraten, sondern ermöglicht eine dynamische Veränderung noch während der Präsentation. Unternehmensorganisationsdiagramme, Erwartungszahlen über den Vertriebserfolg oder SWOT-Analysen lassen sich verändern und, direkt an die Situation angepasst, neu analysieren und bewerten.

Die enorme Funktionsvielfalt und die multidimensionale Darstellung von thematischen Zusammenhängen gehen jedoch zu Lasten einer intuitiven Bedienung. Erst nach gründlicher Einarbeitung und mehreren Probeläufen erschließen sich die aufwendige Benutzeroberfläche und die Funktionsweise dieses Strategiewerkzeugs. notionCUBE ist in sechs verschiedenen Software-Paketen erhältlich. Neben drei Freeware-Angeboten stehen die Paketlösungen notionCUBE Pro, ProcessDesigner und WebConception als kostenpflichtiger Download zur Verfügung. Die Vollversion notionCUBE Pro kann für 890,00 € (zzgl. MwSt.) erworben werden. Alle notionCUBE Produkte sind auf PC und MAC unter allen führenden und modernen Betriebssystemversionen lauffähig. www.notioncube-software.com

oben: Visualisierungsbeispiel eines Brainstormings rechts: Visualisierungsbeispiel einer Unternehmensstruktur

Termin

HPI ACADEMY  OPEN COURSES Die Design Thinking Open Courses der HPI Academy gehen über drei Tage und bieten Einzelteilnehmern die Chance, Werkzeuge und Methoden des Design Thinking kennenzulernen, ein Prozess, der auf Konzeption, Dienstleistungen und Geschäftsprobleme angewandt werden kann. Innovation ist eine erlernbare Fähigkeit, die in allen Aspekten des Berufslebens von großer Bedeutung ist. Der Lehrgang der HPI Academy befähigt Teilnehmende dazu, Innovationen erfolgreich und nachhaltig im Unternehmen voranzutreiben. Termine unbedingt frühzeitig buchen!

aus Notion Cube Visual Thinking-Software

IPHONE 5 SCHABLONE VON UI STENCILS Stift und Papier sind bis heute die einfachste und anschaulichste Möglichkeit, Gedanken sichtbar zu machen. Alle großen Ideen entstanden zunächst so und wurden erst danach digital erwachsen. UI Stencils haben das erkannt: Mit ihren kleinen Edelstahlschablonen lassen sich Interfaces, Icons, App-User-Workflows und der Kern einer Idee verständlich und spielerisch skizzieren. Und bieten dem Kreativen anschließend vielleicht einen Anstoß, mal wieder aus der Form zu fallen... Ab 21,95 $ www.uistencils.com

www.hpi-academy.de iPhone 5 Schablone von UI Stencils

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BERLIN Umschau

GED VIZ – TOOL DER BERTELSMANN STIFTUNG GED VIZ – das Visualisierungs-Tool für jedermann bringt Transparenz in die Zusammenhänge und wechselseitigen Abhängigkeiten der globalisierten Welt. Im Rahmen des Projekts Global Economic Dynamics (GED) stellte die Bertelsmann Stiftung im Juli 2013 das Visualisierungstool »GED VIZ« vor, welches internationale makroökonomische Daten und Beziehungen wie zum Beispiel Handelsströme, Verschuldungsbeziehungen und Migrationsströme anschaulich darstellt und interaktiv erfahrbar macht. Das webbasierte System ermöglicht Nutzern, die Daten frei zu explorieren und eigene Visualisierungen in Form von Slideshows zu erstellen. Diese Slideshows lassen sich dann in andere Webseiten einbetten – ganz ähnlich wie Fotostrecken mit Infografiken, nur interaktiv und animiert.

Termin

Ziel von GED ist es, ein genaueres Verständnis globaler Wirtschaftsentwicklungen und ihrer wechselseitigen Abhängigkeiten zu vermitteln. Das Projekt richtet sich dabei sowohl an die breite Öffentlichkeit als auch an Experten wie etwa politische Entscheidungsträger. Diese breite Zielgruppenorientierung wird zum einen durch unterschiedlich komplexe Inhalte, zum anderen durch visuelle und narrative Vermittlungsmethoden ermöglicht.

TAGE DER UTOPIE Die Tage der Utopie verstehen sich als Inspirationsquelle für kommende Entwicklungen. Die Referentinnen und Referenten betreten mit den Teilnehmern einen bisher nicht untersuchten Ort, Utopia. Pragmatismus tritt hier bewusst zurück, um Perspektiven zu eröffnen, die nicht in der Unsicherheit der Gegenwart feststecken, sondern weite Räume gesellschaftlicher Wandlungen erschließen. Was heute noch Spagat zwischen Tradition und Zukunftsfähigkeit ist, ermöglicht in Utopia einen scharfen Blick auf kommende Potenziale. Gespräche mit Zeit und Workshops sind dabei Intensivierungen. Später kann so eine Plattform entstehen, die Zukunft macht. Der mit dem Festival verbundene Kompositionsauftrag für zeitgenössische Musik erweitert die unmittelbaren Zugänge zum Ungewohnten. Die 3. Tage der Utopie in Deutschland finden 2014 vom 4. bis 10. April wieder im Christian Jensen Kolleg in Breklum/Nordfriesland statt.

viz.ged-project.de zum Tool und www.ged-project.de zum Projekt

Buchung & Infos unter www.tagederutopie.de

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WORKSHOP IM GESTALTEN SPACE DES GESTALTEN VERLAGS

Visualisierung der EU-27 Importe/Exporte 2010 aus GED VIZ-Tool der Bertelsmann Stiftung

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TELEGRAMM »VIZTHINK« MEETUPS Anna Lena Schiller veranstaltet Treffen für alle an visuellem Denken Interessierten, die sich informell austauschen möchten.

Als Wissenschaftsredakteur bei der »New York Times« gestaltet Jonathan Corum Grafiken für Print- als auch interaktive Onlinemedien. Seinen Fokus legt der Designer auf eine klare, einfache und elegante Formensprache. In dem zweitägigen Workshop werden die Grundlagen des Informationsgrafiken-Designs erkundet. Die Themen reichen von der Recherche und Datensammlung über erstes Skizzieren und Visual Storytelling bis hin zur finalen Datenvisualisierung durch Illustration und Grafikdesign. Datum: 4. bis 5. November 2013, 10-19 Uhr Ort: Gestalten Space, Berlin Mehr Informationen finden Sie unter www.gestalten.com

www.facebook.com/vizthink.de www.annalenaschiller.com

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BERLIN Bibliothek

In Sachen Ausdruck DATEN EXPANDIEREN

Die Welt der Diagramme & Co.

Das Interesse an anspruchsvoller und ästhetischer Visualisierung von komplexen Informationen ist groß und wächst weiter. Immer mehr Grafiker, Motion Designer und Werbeagenturen ebenso wie Künstler befassen sich mit diesem Thema. Und immer neue Techniken und Ausdrucksformen werden dabei entwickelt.

»Data Flow 2« zeigt Diagramme, Karten und Schaubilder und lotet neue Möglichkeiten aus, wie Sachverhalte, Daten und Informationen visuell und intuitiv erfahrbar gemacht werden können. Techniken wie Vereinfachung, Abstraktion, Metaphern und Inszenierung werden an konkreten Beispielen nachvollziehbar präsentiert.

data floW I n fo rmat I o n s G rafI K u n d dat e n V I s ualI s I e ru n G

Data Flow 2 erweitert die Definition aktueller Informationsgrafik. In acht umfangreichen Ka­ piteln wird eine breit gefächerte Auswahl an innovativen Techniken, Ausdrucksweisen und Gestaltern vorgestellt. Als Schlüsselfiguren der Informationsvisualisierung kommen Steve Duenes von der New York Times, Andrew Vande Moere von Infosthetics, Manuel Lima von Visual­ complexity, Joachim Sauter von ART+COM und der Kartograf Menno­Jan Kraak zu Wort. Text­ features von Johannes Schardt zeigen darüber hinaus, mit welchen Herausforderungen Desig­ ner, Illustratoren, Künstler und visuelle Auto­ ren konfrontiert sind, wenn sie anspruchsvolle Inhalte komplex, aber verständlich, intelligent und unterhaltsam umsetzen.

Data Flow 2 Informationsgrafik und Datenvisualisierung R. Klanten, N. Bourquin, S. Ehmann, T. Tissot Die Gestalten Verlag ISBN: 978-3-89955-295-9 272 Seiten, (D) 49,90 € www.shop.gestalten.com

OHNE WORTE

Völkerverständigung in Bildern China boomt. Vorbei sind die Zeiten, in denen Europa und die USA als Weltmächte dominieren. Ohne wirtschaftliche Beziehungen zum Reich der Mitte kann heute kaum ein Unternehmen leben. Wie aber »ticken« 1,4 Milliarden Chinesen? Wie erobert man die Herzen dieser Konsumenten, wie arbeitet man mit den Werkstätten der Welt? Und vermeidet dabei typische Missverständnisse? Wie gelingt der west-östliche Dialog? »Ost trifft West« ist das Handbuch für das alltägliche

Leben in und mit der anderen Kultur. Die Autorin Yang Liu, geboren in Peking, kam mit 13 Jahren nach Deutschland; heute ist sie Professorin für Kommunikationsdesign in Berlin, wo sie auch ihre Agentur hat. Ihr Buch, inzwischen in der 8. Auflage erschienen, wurde 2008 vom Art Directors Club für Deutschland mit Gold ausgezeichnet und bei den Lead Awards als Illustrationsbeitrag des Jahres.

Ost trifft West Ein interkultureller Dialog in Piktogrammen Yang Liu Text deutsch/englisch/ chinesisch Verlag Hermann Schmidt Mainz ISBN: 978-3-87439-733-9 100 Seiten, (D) 15,00 € www.typografie.de

ANGEZEIGT

Philosophische Erkenntnisse des Zeigens Zeigen erregt Aufmerksamkeit. Ein ausgestreckter Finger lenkt den Blick auf eine Sache – aber nicht nur das: Gerade in jüngster Zeit richten sich auch die Blicke diverser Wissenschaften auf das Zeigen selbst. Thema dieses Buches ist der spezifische kulturelle Umgang mit Bildern und Museen, aber auch mit Uhren, Kunstwerken, Kleidung und

Gesichtern, der dazu führt, dass diese uns etwas sehen lassen. Lambert Wiesing widerspricht dabei dem verbreiteten Mythos, Bilder würden schon allein deshalb etwas zeigen, weil auf ihnen etwas sichtbar ist. Eine umfassende und präzise philosophische Studie.

Sehen lassen Die Praxis des Zeigens Lambert Wiesing Mit sieben Abbildungen, suhrkamp taschenbuch wissenschaft Suhrkamp Verlag ISBN: 978-3-518-29646-2 230 Seiten, (D) 12,00 € www.suhrkamp.de

SICHTBARE BEGEGNUNG

Anleitung für Ideenkommunikation

David Sibbet ist einer der Pioniere in den Bereichen grafische Moderation und visuelles Denken in Gruppen. In seinem Buch zeigt er, wie Meetings durch visuelle Hilfsmittel erfolgreicher gestaltet werden können, damit Ideen effektiver und von allen Beteiligten

engagierter kommuniziert werden. Erläutert werden verschiedene Vorgehensweisen, Methoden und Tools – von Skizzen und Postits über Storyboards und Mind-Maps bis hin zum Einsatz von iPads und anderen Tablet PCs.

Visuelle Meetings Meetings und Teamarbeit durch Zeichnungen, Collagen und Ideen-Mapping produktiver gestalten David Sibbet mitp Verlag ISBN: 978-3-8266-9107-2 288 Seiten, (D) 29,95 € www.it-fachportal.de

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BERLIN Berlin

BER LIN macht Druck BERLINDRUCK: WIR SIND 45

Reinhard Berlin, Frank Rüter, Hedda Berlin, Manuela Blanke, Alexandra Reimers, Hans-Jürgen Kulke, Dietmar Kollosché, Rolf Mammen, Walter Schwenn, Marvin Rönisch, Dagmar Baumgarten, Thomas Robel, Anke Holste, Sonja Cordes, André Appel, Jens Wetzel, Ilka König, Katrin Harjes, Björn Gerlach, Jochen Rustedt, Marcus Lattermann, Leo Schnier, Tobias Nowacki, Mike Reimers, Thomas Vierke, Volker Kahlert, Erhard Voßmeier, Andreas Mindermann, Hans-H. Lilienthal, Christian Ewert, Marian Kacyna, Tim Buschbaum, Katja Lindemann, Jörg Wortmann, Melahat Haltermann, Michael Henkhus, Monika Plottke, Thomas Hartung, Denny Quednau, Lars Janssen, Randers Kärber, Carina Stemminger, Chevy Orlando

www.berlindruck.de

Fritsch, Jana Steinmeyer

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BerlinDruck in Bildern und Zahlen

Azubis

Neu

WIR SIND 45

......UND VERARBEITEN ETWA 2.800 TONNEN PAPIER PRO JAHR

54 t pro Woch

Januar

September

Heute arbeiten bei BerlinDruck 45 Teamplayer, die ihr Handwerk verstehen. Wir sind Menschen mit einem Blick für Ästhetik, die

auch unter Zeitdruck einen kühlen Kopf bewahren. Das Beste: Mit uns kann man reden.

...ZUFRIEDENE KUNDEN DANKEN UNS!

Danke!

Nice! DRUCKMASCHINEN Die unterschiedlichen Druckmaschinen bedrucken zwischen 2.000 und 18.000 Bogen pro Stunde.

Super!

BELIEFERN CA. 400 KUNDEN


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PAPIERVERBRAUCH BerlinDruck verarbeitet und bedruckt an einem Tag knapp 11.000 kg Papier.

60 - 480 g/qm

233 t pro Monat

2.800 t pro Jahr

1 Blatt = 10 Tonnen Papier

Cyan 4.200 kg

Magenta 4.400 kg

Yellow 6.000 kg

Key 4.000 kg

MATERIALVERBRAUCH BerlinDruck verbraucht in einem Jahr etwa 14.640 kg Farbe. Das sind 5.856 Blechdosen à 2,5 l Farbe. Dabei verbrauchen sie etwa 21.250 qm Druckplatten. Pro Jahr werden 14.500 m Plotterpapier von der Rolle benötigt.

PREMIUMQUALITÄT

24 h

SCHNELLE ABWICKLUNG Ihres Auftrags

PAPIERVEREDELUNG Drucklack, Dispersionslack, Drip Off Lack, stanzen, prägen


BERLIN Plädoyer

Berühren und berührt werden DAS PLÄDOYER EINES PAPIERLIEBHABERS Papierliebhaber Reinhard Berlin mit Broschüre von Mowhawk über die Wollemi-Kiefer

Es ging um einen Kalender für eine Fluggesellschaft. Auf meine Frage nach dem Papier kam die Antwort des Einkäufers klar und präzise: »Weiß!« Nichts einfacher als das...: Bei etwa 1.600 in Deutschland verfügbaren »weißen« Papier dürfte auch für ihn etwas dabei sein. Schneeweiß vielleicht? Doch wie weiß ist eigentlich Schnee; unterscheiden sich nicht Neu-, Pulver-, Firn-, Sulz-, Büßeroder gar Blutschnee optisch immens voneinander? Und die Oberfläche? Holzfrei matt, glänzend, satiniert? Reden wir auch noch über die Grammatur? Für eine digitale Information gibt es zwei Parameter: 1 und 0, Strom oder kein Strom. Das Ergebnis sind Daten. Bits und Bytes. Die optischen Möglichkeiten sind überragend: Bunt, bewegt, schrill oder zurückhaltend. Da mag sogar auch mal ein Bildschirm für 99 Euro aus dem Billigmarkt reichen. Kann man den Wert eines Buchs anhand der Anzahl seiner Buchstaben bemessen? Wohl kaum. Für das Besitzenwollen eines gedruckten Produkts gibt es also Gründe, die nicht so einfach zu messen sind. Wohl jeder hat schon ein Buch gekauft, nur weil der Schutzumschlag so schön war. Und als vor einigen Jahren die TUI ihren ersten Reiseprospekt – für die Robinson-Clubs – auf Naturpapier druckte, hatte man ein vollkommen neues Urlaubsvorfreudegefühl in der Hand. Und warum werden eigentlich Millionen Fotobücher gedruckt, obwohl man sich doch jede Aufnahme viel schneller auf dem iPad ansehen kann? Den Unterschied zwischen der nackten Information in Bits und Bytes und deren Herausgabe auf Papier so zu bearbeiten, dass daraus ein echter Mehrwert entsteht, ist unsere vornehmste Aufgabe. Die haptische Kommunikation ist ein analoger Vorgang und damit ein realer Transport von Werten. Journalisten oder Schriftsteller werden darauf bestehen, dass es nur auf den Inhalt ankommt. Natürlich. Mal mehr, mal weniger. Aber unser Beitrag mit unserem Rohstoff, dem Papier, kann aus einer Textwüste ein Erlebnis oder aus einem eher langweiligen Produkt einen Verkaufsschlager machen. Wie langweilig muss es sein, den grandiosen Sprach-Roman von Wolf Haas, »Verteidigung der Missionarsstellung« (Hoffmann und Campe), ohne »unser« Papier zu lesen, nur als E-Book? Heute geben wir sehr viel Geld aus, um alte Schriften zu restaurieren, historische Manuskripte gegen den Säurefraß zu schützen. Niemand würde auf die Idee kommen, dass es ausreicht, die Gutenberg-Bibel zu scannen, um so deren Inhalt zu bewahren. Und Hand aufs Herz: Hätten Sie es in unserem Magazin bis hierher geschafft, wenn wir Ihnen einen Link oder eine App geschickt hätten?

Eine kleine Geschichte am Rande: Ich besitze ein Kleinod aus Papier. Vor vielen Jahren verteilte die feine, amerikanische Papiermühle Mohawk auf der Fachmesse IPEX in Birmingham eine auf ihrem Naturpapier Options gedruckte Broschüre. Unter dem Titel »Lost/Found« berichtet sie von der wohl ältesten Pflanze der Welt, der Wollemi-Kiefer. Nur Fossilien erinnerten an sie, die schon vor mehr als zwei Millionen Jahren ausgestorben sein sollte. Doch 1994 hatte der australische Parkaufseher David Noble eine Sensation entdeckt: eine Gruppe Wollemis in einer abgelegenen Schlucht. Heute gibt es etwa 100 dieser Bäume - an einem geheim gehaltenen Ort, da schon kurz nach ihrer Wiederentdeckung von Menschen eingebrachte Pilze den Bestand zu zerstören drohten. Die Broschüre auf dem Feinstpapier Options hüte ich wie die Australier ihre seltene Pflanze. Über deren Inhalt wiederum stieß ich auf mein Lieblingsbuch »Die feine New Yorker Farngesellschaft: Ein Ausflug nach Mexiko« des bekannten Gehirnforschers Oliver Sacks. Als ich kürzlich in Hamburg das Glück hatte, John O’Connor, Senior Vice President von Mohawk, kennenzulernen, erzählte ich ihm von meinem haptischen Glück. Wir brauchten einen ganzen Abend, um uns über sein wunderbares Papier und die älteste Pflanze der Erdgeschichte auszutauschen. Was wäre von meinem Interesse geblieben, hätte ich die Wollemi-Story vor 15 Jahren im Internet gelesen?

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BERLIN Handwerk

Ein glatter Schnitt DIGITALE DATEN VORAB BESCHLEUNIGEN DEN DRUCKPROZESS Eingeübter Handgriff Foto: Thomas Karsten

Drei Millimeter Überfüllung, Endbeschnitt auf 210 x 297 mm. Das haben Sie sich fein ausgedacht. Aber nicht nur gedacht. Denn mit der Schnittmarke im Dokument haben Sie unserem Papierschneider schon einen wesentlichen Teil seiner Arbeit abgenommen. Ihre digital übermittelten Koordinaten steuern alle Voreinstellungen unserer Schneidemaschinen. Natürlich ist schon lange die Farbvoreinstellung der Druckmaschinen aus dem Farbprofil der von Ihnen übermittelten Bilder errechnet worden. Und der sogenannte Ausschießer, die Anordnung der Seiten auf der Druckform, wird schon lange nicht mehr in der Druckvorstufe bestimmt, sondern ist bereits bei der Kalkulation so definiert, dass beim späteren Auftrag die Seitenfolge produktionstechnisch einwandfrei verarbeitet werden kann. Die komplette Steuerung läuft über das Auftragsmanagement. Hier werden alle Daten gesammelt und verarbeitet. Die früher übliche Dreiteilung – Satz, Druck, Binderei – ist aufgehoben und wird von hier gesteuert. Die Konsequenz aus der Veränderung unserer Arbeitswelt durch die vollkommene Digitalisierung hat sich jetzt bei uns auch räumlich bemerkbar gemacht: Was vorher Dunkelkammer war, strahlt jetzt in lichtem Weiß, wo vor Jahren fleißige Offsetmontierer zuhause waren, sind Macs eingezogen. Aber nicht nur die Optik wird bedient. Die räumliche Zusammenführung von Auftragsmanagement und Druckvorstufe verbessert die interne Kommunikation und trägt den Workflow-Anforderungen Rechnung. Dieses Newsroom-Konzept ermöglicht eine wesentlich schnellere Kommunikation, weniger Medienbrüche und verbessert das Verstehen zwischen Organisation und Produktion. Die Planung ist heute genauer, der Papieraufwand geringer, die Mitarbeiter sind auch im Schichtbetrieb jederzeit auf dem neusten Stand, und zeitintensive Besprechungen entfallen. Die elektronische Planung stellt sicher, dass nichts vergessen wird und macht auf eventuelle Fehler aufmerksam, fast wie ein persönlicher Assistent. BerlinDruck-Mitarbeiter vor dem neuen Wandtattoo Foto: Thomas Karsten

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BERLIN Ausdruck

Man kann darüber traurig sein oder nicht. Outlook hat über die E-Mail-Funktion den persönlichen Brief in eine fast elitäre Nische gedrängt. Und auch die Kontakte werden nicht mehr in Karteikästen gesammelt. Aber eins hat Outlook ganz sicher nicht geschafft: den Kalender von unseren Tischen und Wänden zu verdrängen. Glaubt man einer Studie der DIMA-Marktforschung, dann hat das auch einen guten Grund. Es gibt kaum eine bessere Verknüpfung von Nutzung und Wirkung als Werbekalender. Ein ganzes Jahr im Blickfeld der Kunden - ein Cent-Kontaktpreis, der sich lohnt. Kalender schneiden in der Werbewirkung nicht nur deutlich besser ab als klassische Medien wie Hörfunk oder TV, sondern sie setzen sich auch bei den Werbeartikeln an die Spitze.

Kopf oder Zahl? FÜR TISCH ODER WAND

Bleibt die Frage: Tisch oder Wand? Für BerlinDruck ist die Antwort klar. Eindeutig Tisch! Und dafür gibt es viele Gründe. Die Wand gehört sozusagen jedem, der Schreibtisch gehört mir. Ohne Wenn und Aber. Aber das kann nicht der einzige Grund sein. Unser Tischkalender ist 100 Prozent individuell. Keine Werbeleiste im mm-Bereich. Gehen Sie davon aus, dass Ihr Werbeartikel frühestens am 31.12. des Kalenderjahres weggeworfen wird. Wie schnell verschwindet dagegen ein Kugelschreiber in der (falschen) Schublade? Mit einem Tischkalender setzen Sie sich von der Masse ab. Überzeugt? Besuchen Sie uns auf www.tischkalender.com

Bitte folgen! WELTMARKTFÜHRER IN DER NISCHE Auf die romantische Altstadt von Dubrovnik brennt unerbittlich die Sonne. Schon um 10 Uhr hat das Thermometer die 30-GradMarke geknackt. Keine Wolke am Himmel, keine Regenwarnung. Dennoch hält eine zierliche Frau ihren Regenschirm so hoch wie möglich in die Luft. Zugeklappt zwar, aber immerhin. Eine Gruppe Touristen folgt ihr unauffällig durch die autofreien Straßen der »Perle an der Adria«. Es gibt wohl weltweit keine sehenswerte Stadt, in der ein solches Szenario nicht alltäglich ist. Nicht ganz so unauffällig, aber eindeutiger geht es mit einer Buskelle, auch Schaff-

nerkelle genannt. Da gibt es kein »Ja, wo laufen sie denn?«, wenn in einer Hafenstadt gerade zeitgleich mehrere Kreuzfahrtschiffe angelegt haben und sich hunderte Touristen durch wunderschöne, aber unübersichtlich enge Gassen schieben. Da helfen wir doch gerne. Mit unseren Buskellen kein Problem. In vielen Farben, mit diversen Aufschriften und schnell bestellt im Internet. Dann geht beim Besichtigen von Sehenswürdigkeiten niemand mehr verloren. Aus einer Kundenanfrage vor Jahren sind wir so zum konkurrenzlosen Weltmarktführer

Buskelle im Einsatz

geworden. Das haben nicht einmal Amazon oder Microsoft geschafft! Und wenn man dann durch Budapest, Barcelona oder Paris schlendert, wo neun von zehn Fremdenführern mit unseren Kellen winken, kommt auch Freude über eine kleine, aber feine Idee auf. www.buskellen.de

Wer wissen will, was in einer Stadt los ist, schaue – so sagt man – lieber nicht in ein Stadtmagazin, sondern frage besser ihre Taxifahrer. Und ihre Obdachlosen. Warum?

heMM strasse B remen & B remerhaven F reI e ha nS eSTa DT ZW I SC hen 5 3 ° nOrD & 8 ° OST

Die Zeitschrift Der strasse seheN hÖreN schreiBeN

Pr e I S : 2 e urO e In e urO F ür De n v e r k äuFe r nr .1 7 — J uLI 2 0 1 3

Möchtegernrocker 32

Zwischen Ruhm

und Angst

Butterfly und charleston ich Bin ein Bugsist Alter

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schützt

vor Tanzen nicht

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Auf der

Straße, auf der Bühne

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01.07.13 21:38

Weil sie lange an Orten verweilen und Alltagsszenen beobachten, Geschichten aufschnappen, Gespräche belauschen, die Stadt sehen. Sie haben den besonderen Blick. Den Blick für die Details, den Blick für das Abseitige, den Blick für das Offensichtliche. Die »Zeitschrift der Straße« will genau das. Sie will vor Ort sein. Sie will den Alltag und die Dynamik Bremens und Bremerhavens

Hemmschwellen abbauen DIE ZEITSCHRIFT DER STRASSE genau beobachten. Sie will notieren, sie will Geschichten finden, die niemand sonst findet. Sie will sich direkt mit der Stadt auseinandersetzen und dorthin gehen, wo Stadt ist. Die »Zeitschrift der Straße« will Realität, Lokalität, Vitalität. Und sie will sich wehren gegen das dröge Image der Obdachlosenzeitungen, die meist nur aus sozialem Gewissen heraus gekauft werden. Will Realität vermitteln, will so nah dran und originell sein wie möglich.

Die »Zeitschrift der Straße« will noch mehr. Sie will echte Begehrlichkeit wecken. Weil sie echt ist und weil sie überraschend ist. Jetzt ist bereits die 17. Ausgabe erschienen, und vom ersten Tag an unterstützt BerlinDruck die Herausgeber: die GISBU Gesellschaft für Integrative Soziale Beratung und Unterstützung mbH, die Hochschule Bremerhaven, der Studiengang Cruise Tourism Management, die Hochschule für Künste Bremen, die AG Zeitschrift der Straße und den Verein für Innere Mission in Bremen. Printed in Achim. Made by Berlin. www.zeitschrift-der-strasse.de


BERLIN Ausdruck

Sail away NOSTALGIE FÜR KOSMOPOLITEN

Seglerszene aus dem Buch The Star Clipper Saga © Gibsons of Scilly

Wenn eine monegassische Reederei mit einem schwedischen Reeder ein englischsprachiges Buch über alte Segelschiffe herausgibt, dann wird das natürlich in Achim gedruckt. »The Star Clipper Saga« heißt das außergewöhnliche Werk, das der schwedische Autor Erling Mats von der ersten Zeile an betreut hat, von der Recherche in historischen Archiven bis zur Abnahme an der Druckmaschine. Das Ergebnis lässt alle Seglerherzen höher schlagen: Die Geschichte der »Preussen«, 1902 der größte Fünfmaster der Welt, wird mit ihrem Eins-zu-einsNachbau verglichen, der »Royal Clipper«. Dabei wird deutlich, dass auch heute, trotz aller technischen Mittel, der Bau eines solchen Großseglers zum größten Teil Handarbeit bleiben muss. Ein wunderbares Buch. Made in Achim. Printed by Berlin.

BERLIN à la Carte DIE BORDAUSSTATTUNG DER »EUROPA 2« Kreuzfahrtschiff Foto: Hapag-Lloyd Kreuzfahrten

verfügen über eine großzügige Veranda. Mehr Lifestyle und weniger KreuzfahrtRituale tragen zu einer lockeren Bordatmosphäre bei. Die geringe Zahl von maximal 516 Gästen und das exzellente Crew Gäste-Verhältnis mit deutschsprachiger Hotel-crew ga-

Persönlicher Service, höchster gastronomischer Standard, individuelle Reiseprogramme und eine exzellente Ausstattung: Das sind die Merkmale des neuesten Schiffs der Hapag-Lloyd-Kreuzfahrtenflotte, der »EUROPA 2«. Und wenn es um Bordausstattung geht, sind auch die fleißigen Hände der Drucker vom Bremer Kreuz gefragt. Die Borddrucksachen folgen aktuellen Designtrends und fügen sich in das Gestaltungskonzept des Schiffs – stilvolles Ambiente und modernste Technologie – nahtlos ein. Menü- und Weinkarten für acht Restaurants, Barkarten, Vordrucke für die außergewöhnlichen Tagesprogramme und natürlich Vordrucke für alle Kommunikationsmittel an Bord: Made in Achim. Printed by Berlin.

rantieren Exklusivität und Entspannung. Wellness, Fitness und ein vielschichtiges Unterhaltungsprogramm stehen neben kulinarischer Vielfalt im Fokus. www.hl-kreuzfahrten.de Gastronomie Foto: Hapag-Lloyd Kreuzfahrten

REISEN AUF HÖCHSTEM NIVEAU Das Routenkonzept konzentriert sich im ersten Jahr auf die Regionen Westliches Mittelmeer, Östliches Mittelmeer, Arabische Halbinsel und Asien. Viele Routen können flexibel zu längeren Traumaufenthalten an Bord kombiniert werden. Alle Suiten der »EUROPA 2«

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IMPRESSUM 234

Herausgeber BerlinDruck GmbH & Co KG Oskar-Schulze-Straße 12 28832 Achim ViSdPG Reinhard Berlin Telefon: 0421 / 438 71 - 0 Telefax: 0421 / 438 71 - 33 E-Mail: info@berlindruck.de www.berlindruck.de

Konzept/Redaktion/Gestaltung www.kleinerundbold.com

Redaktionsleitung Tammo F. Bruns

Redaktionsanschrift kleiner und bold GmbH Leuschnerdamm 13 10999 Berlin

Chefin vom Dienst Selina v. Holleben

Telefon: 030 / 616 51 61 - 0 E-Mail:  berlin@kleinerundbold.com

Textchefin Bettina Schneuer

Autoren Reinhard Berlin Prof. Dr. Martin J. Eppler Holger Gelhausen Jochen Gürtler Johannes Meyer Jan Schwochow Autoren der Redaktion Reinhard Berlin Selina v. Holleben Fanny Werner

Gestaltung Doris Jantoljak Jenny Kucharczyk David Auris Umsetzung BerlinDruck, Achim

Grafik: frank höhne / teXt: ralf Grauel, Bruno pischel, kai schächtele, rainer schmidt

Die Welt aus deutscher Sicht


Die Welt aus deutscher Sicht Grafik: Frank Höhne aus Deutschland verstehen © Gestalten 2013

diedie Welt aus deutscher sicht Welt aus deutscher sicht MAKING OF

Wir betreiben aktiven Klimaschutz durch klimaneutrale Produktion unseres Magazins:

In unserem Prinergy Evo Workflow konnten wir die Seiten dieses Heftes auf einem farbverbindlichen 26 Zoll Quato Panorama-Bildschirm betrachten. Die Kodak-Druckplatten wurden auf unserer CtP-Anlage Magnus 800 Quantum belichtet. Gedruckt wurde auf Profibulk mit 1,1 fachem Volumen, einem Produkt der IGEPAgroup (www.igepagroup.com). Es ist ein naturmatt gestrichenes, holzfrei weißes Bilderdruckpapier mit natürlicher Anmutung und außergewöhnlicher Haptik. Für den Umschlag kam 250 g/m², für den Inhalt 150 g/m² zum Einsatz. Auf unserer Heidelberger Speedmaster XL 105+L erfolgte der Offsetdruck mit den Skalenfarben High Speed von Epple Druckfarben (www.epple-druckfarben.de). Die schwarze Klammer auf dem Titel wurde mit UV-Lack und anschließender Hochprägung bei der Firma Gräfe Druck & Veredelung GmbH in Bielefeld (www.graefe-druck.de) veredelt. Die gleichbleibende Qualität nach DIN ISO 12647 (Prozess Standard Offset) haben wir mit Image Control geprüft und dokumentiert. Die buchbinderische Verarbeitung unseres Magazins erfolgte im Hause Print Medien Verarbeitung Runge GmbH (www.pmv-runge.de) auf dem Klebebinder Müller-Martini Bolero. Die Schriften dieser Ausgabe: Grundtexte Soho Gothic Std Regular, Überschriften Soho Gothic Std Bold, Kopfzeilen Helvetica Neue LT

Wir und dieWir anderen und die anderen

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